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Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Titel: Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Schaaf
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Aufwind. Aus der Ferne ließ sich das Turbinengeräusch des Beobachtungshubschraubers vernehmen.
    Ein Spuk, dachte die Journalistin, das klassische Gegenstück zu der urbanen Betonwüste der Hauptstadt. Sie filmte die Kettenschnur aus Soldatenmaterial, die sich hinter der Deckung der Wacholderbüsche hervortastete. Als sie die Kamera sinken ließ, um dem Corporal zu folgen, detonierten weit hinten, in der Richtung, aus der sie gekommen waren, die ersten Werfergranaten.
„Volle Deckung!“ brüllte der Oberleutnant. Er duckte sich in eine Bodenwelle und sprach hektisch auf das Funkgerät ein. Die Soldaten nutzten jede Bodenvertiefung, tauchten in jede sich öffnende Felsspalte, während die Werfergranaten, erkennbar an ihren dumpftönenden Detonationen mit dem typischen nachfolgenden Hohlklang, im Rücken der Truppen einschlugen. Anica vermutete das Zielgebiet etwa dort, wo sie frühmorgens von den Libellen abgesetzt worden waren.
    „Ist da vielleicht eine andere Einheit, die hinter uns operiert?“ fragte sie den Corporal und warf die Blüte, an der sie mit den Fingern gezwirbelt hatte, weg, weil ihre Stacheln bösartig durchdrangen.
    „No, Ma´am“, erwiderte er. „Das sind die Serben. Und russische D-Dreißig-Werfergranaten, hundertzweizwanzig Millimeter. Unsere erkenne ich am Klang.“
    „Aber wie können sie dort sein? Ihr habt das Gelände praktisch Zentimeter für Zentimeter durchkämmt.“
    „Diese Geschütze stehen wer weiß wo und sie weisen eine Besonderheit auf: In Schussposition können sie blitzschnell das Ziel wechseln“, erläuterte der Oberleutnant.
    „Wir können jede Ritze millimeterweise absuchen“, sagte Nymiah, „und werden nichts finden. Aber die Strolche werden doch da sein. Der Boss hat recht. Atomgranaten wären das einzige, womit man die dirty fellows ausräuchern könnte. Was sein muss, muss sein. Damned highbinders!“
    Der Helikopter tauchte über dem Gebirgsscheitel auf. Hoch schwebte er, offenbar befürchtend, unter Beschuss zu geraten. Der Oberleutnant legte das Sprechfunkgerät aus der Hand. Mit besorgter Miene winkte er einen Sergeanten heran. „Die Serben greifen den Absetzplatz an. Die Sanitätsstation liegt unter Feuer. Woher wissen die Schweinehunde bloß, dass sich dort unser Gefechtsstand befindet?“ Er schnitt eine Grimasse. „Wir gehen zurück. Sie müssen irgendwo in dem Gelände stecken, das wir durchforstet haben.“
    „Das ist unmöglich, Sir“, rief der Sergeant.
    „Mit ihren Granatwerfern?“ fragte Anica.
    Der Oberleutnant schnitt ihnen mit einer unwirschen Handbewegung das Wort ab. „Auf der Stelle kehrt, marsch!“ rief er. „In Kette retour Richtung Wacholderkuppe. Rückwärts aufrollen!“
Nichts geschah. Als sie dreihundert Meter zurückgehastet waren, kam der Befehl, erneut umzudrehen und die nackte Fläche in der vorgesehenen Richtung zu überqueren. Ein Sanitätshubschrauber schwebte weit hinter ihnen ein, setzte auf, um den General aufzunehmen und sogleich wieder abzuheben. Der Oberleutnant erfuhr über Funk, dass die unweit des Sanitätszeltes in Bereitschaft liegende Artilleriekompanie bei dem Feuerüberfall schwerer Werfer fast vollständig aufgerieben worden war. Niemand konnte genau sagen, woher das Granatfeuer gekommen war. Lediglich drei Salven waren losgegangen, ohne dass die Abschussstelle ausgemacht werden konnte, aber die Einschläge waren mit einer unglaublich erscheinenden Präzision erfolgt.
    „Wahnwitz!“ zischte der Oberleutnant durch die zusammengebissenen Zähne. „Glatter Wahnwitz, wieder vorzurücken. Sie müssen dort hinten überall stecken, und vorne und seitlich und überall in dieser gottverfluchten Gegend.“
    Doch nichts hinderte ihn daran, den Befehl auszuführen wie die anderen Zugführer und Kompaniechefs auch. Am späten Vormittag trabten sie wieder über die kahle Erde, und da sich nichts tat, schritten sie aufrecht. In großer Höhe, senkrecht über ihnen, stand wieder der Beobachtungshubschrauber. Man konnte ihn hören wie ein summendes Insekt in gemessener Entfernung. Aber er war so gut wie unsichtbar, hielt er sich doch inmitten des glühenden Sonnenballs.
    Bei den Männern hatte sich Erschöpfung eingestellt, sie konnten einer des anderen Atem, ihre klopfenden Herzen hören. Ihre Augen brannten, weil die Höhlen ausgetrocknet waren, ihre Nasenlöcher juckten von Staubpartikeln. Sie hatten das Gefühl, als seien ihre Gliedmaßen riesige Wurstpellen, die mit nassem Sand gefüllt waren.
    Der Oberleutnant

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