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Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Titel: Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Schaaf
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zusammen und warf einen Blick auf seine Armbanduhr.
    Die Trupps bewegten sich wie Robben weiter fort. Längst gingen die Männer nicht mehr aufrecht, sondern pressten sich an die festgebackene Erde, das harte Felsgestein. War bisher ab und zu ein Wort der Unterhaltung, der Verständigung gefallen, ein unterdrückter Witz, ein halblauter Zuruf, so sprach jetzt niemand mehr. Man war gewarnt. Ein erster Schuss hatte den General noch in der Luft getroffen. Mit dem zweiten hatte sich der Feind als unsichtbarer und unberechenbarer Gegner ausgewiesen, und die MG-Garbe sollte von seiner unheimlichen Unerbittlichkeit beredtes Zeugnis ablegen. Unter den Stahlhelmen blickten weitaufgerissene, von Angst und Argwohn erfüllte Augen in das Gewirr aus Gesteinsbrocken, mit dem das Gelände übersät war, hin und wieder versetzt durch spärlichen Nadelholzbewuchs.
Der Oberleutnant kroch mit dem Funkgerät hinter einen Felsvorsprung, gab das Haltesignal. Seine Hand wies nach oben. Eine halbe Minute später kam Flugzeuggeräusch über dem Gebirgskamm auf, ein Pionier feuerte eine Signalrakete ab. Sie zischte die Schulter des Berges hinauf und verglühte vor einer Steilwand, den Fliegern die vorderste Linie markierend. Der Motorenlärm schwoll an, als die Turbopropmaschinen knapp über den Scheitel des Berges zogen und ins Tal fielen. Die Flugzeuge älterer Bauart, schon einmal ausgemustert, waren reaktiviert worden, da sie sich in den speziellen Geländeformationen mit ihren Senken, Schluchten und Kesseln, die auch gemäßigte Fluggeschwindigkeiten erforderten, als überlegen erwiesen hatten. Schrill heulten die Turbinen auf, als die Maschinen hart über der Talsohle hochzogen und den jenseitigen Gebirgsrücken bedrohlich dicht am Fels wieder hinaufbrausten. Jetzt erst schlugen ihre Raketen auf, detonierten vorn am Rande des Talkessels. Der Fels ließ ihre Wirkung weitgehend verpuffen, lediglich Kaskaden aus Steinsplittern spritzten ringförmig auf, verbrannt riechender Staub zog mit ihnen herüber, gefolgt von trägen Qualmwölkchen des angesengten, harzigen Nadelgehölzes.
    „Vorwärts, Männer“, rief der Oberleutnant und bewegte die erhobene Faust auf und ab.
    Anica krabbelte hinter ihm her, stets bemüht, ihm so dicht als möglich auf den Fersen zu bleiben, bis der Corporal keuchend heranrobbte und die Reporterin am Fuß festhielt.
    „Bleiben Sie doch zurück, Sie Schaf!“ fauchte er keuchend. „Oder wollen Sie unbedingt ins Gras beißen?“
    „Gras ist gut“, zischte Anica zurück. „Auf Granit! Und glauben Sie denn, wir sind als Nachzügler sicherer?“
    Nymiah kaute auf einem großen Klumpen Kaugummi herum, schob ihn in die Backentasche. „Ich glaube an die Vorsehung, Ma´am“, nuschelte er, „und daran, dass jeder Partisan als erstes auf den Mann bei dem Funkgerät zielt und danach auf alles hält, was sich in seiner Nähe bewegt. Na, wenn das nichts ist. Ist Ihnen denn am Funker nichts aufgefallen?“
    Das ist Kintopp pervers, dachte Anica, nein wie im richtigen Film, wo sich die kommandierenden Offiziere auch stets unmittelbar bei den Sprechfunkgeräten aufhalten. In den Kriegsstreifen waren es die Maschinengewehrnester, eine Schnellfeuerwaffe bedienen hieß, sich zur bevorzugten Zielscheibe zu machen. Sie blickte den Corporal an.
    „Ganz schön clever, Nymiah“, sagte sie.
    „Was sein muss, muss sein. Ich bin wenig erpicht darauf, in Arlington begraben zu werden.“ Er spuckte an seinem Kaugummi vorbei auf den glühenden Fels, wo der Speichel auf der Stelle verdunstete.
    Ein Mensch von lauterer Gesinnung, dachte Anica, und von ungewöhnlicher, etwas übertriebener Offenheit, unbeugsam, hart und ausdauernd. Daher vielleicht seine geflügelten Worte: `Was sein muss, muss sein´ und `na, wenn das nichts ist?´
    „Ist das Ihr erster Einsatz?“
    „Der erste heiße, Ma´am“, antwortete er betulich. „Über ein halbes Jahr bin ich mittlerweile hier, sechs Monate Übungsflüge, und noch immer kotze ich fünfzehn Minuten, bevor es losgeht. Doch wenn eine Operation erst mal begonnen hat, können Sie auf mich zählen. Yes, Ma´am!“
    Die Flieger schienen nicht wiederzukommen. Nach zehn Minuten war kein weiterer Schuss mehr gefallen. Die Soldaten mit den Sonden hatten keine Minen, die Pioniere mit den Stangen keine unterirdischen Stellungen entdeckt. Der Zug des Oberleutnants bewegte sich über das von den Raketen getroffene Gelände. Helle Schrammen hatten die Detonationen in die betonharte Lende des

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