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Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Titel: Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Schaaf
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winzigen Sicherheitsfaktoren zu beachten, die unumgänglich sind, wenn man sich im Krieg bewegt...
    „Ich habe Sie beobachtet, Reporterin“, sagte Nymiah. „Wenn Sie Ihre Kamera je einmal überhaben, sollten Sie sich bei der Army bewerben. Sie stehen es durch.“ Er schaute zu seinem Oberleutnant hinüber. „Aber wenn man kein Mann ist...“
    „Und kein Amerikaner“, entgegnete sie. Er mimt den Ahnungslosen, dachte sie. Wenn er wüsste, dass ich tausend Tode gestorben bin während des zehnminütigen Angriffs. „Ihnen macht das alles wohl nicht viel aus“, fügte sie an.
    Nymiah nahm es als Frage, die es nicht war, wog bedächtig den bärbeißigen Kopf. „Glauben Sie das nicht, Ma´am, du hast kein Leben mehr, wenn du einmal im richtigen Einsatz bist. Im Krieg bist du ne Leiche auf Abruf.“
    „Und das nehmen Sie einfach so gelassen auf?“
    „Was willst du machen, Ma´am, weinen?“ fragte er sauertöpfisch. „Bevor ich in die Army eingetreten bin, hab ich einen Kehrwagen der Stadtreinigung in Grand Rapids, Michigan, gefahren. Feiner Job, sag ich dir, weil es laufend Nachtzulage gibt. Dann kam ich nach Spangdahlem in Ihr Heimatland, und jetzt der robuste Auftrag in Bosnien. Wenn ich denen hier jetzt den Irren vorspiele, damit sie mich nach Hause schicken, lassen sie mich nicht mal mehr auf meinen street sweeper. Außerdem kann ich das nicht so perfekt, dass man mir glauben würde.“
    „Wenn alle militärischen Operationen verlaufen wie diese“, sagte die Journalistin, „haben sich die Probleme bald auf andere Art erledigt.“
    „Ma´am, wir tun unser Bestes“, erwiderte er grantig. „Aber die anderen auch. Mir soll´s egal sein. Ich will hier meine Zeit runterreißen, wobei nur wichtig ist, dass ich am Leben bleibe. Sonst nichts.“
    Der Corporal drehte den Kopf rückwärts, blickte argwöhnisch durch das vom Feuer gelichtete Buschwerk der Kuppe auf die freie Steinebene hinaus. Im Vordergrund sprach der Oberleutnant in den Funkapparat und außer Vogelgeschrei von den steilen Felshängen her war kein Laut zu hören. Der junge Offizier hatte die Hälfte der ihm verbliebenen Mannschaft im Kreis zu einem losen Verteidigungsgürtel postiert. Die andere Hälfte lag in der Mitte, döste, aß oder drehte Däumchen.
    Die Journalistin lernte die Gesichtszüge der unter Druck stehenden Männer immer besser kennen, ihre winzigsten Zuckungen, ihre Verkrampftheit, die von innen nach außen gekehrte Hässlichkeit, aber auch ihre in der Entspannung durchscheinende Schönheit, wenn sie nach der Anstrengung schwitzend und scheinbar an nichts denkend zusammensanken.
Der Corporal ließ seine Augenbrauen spielen, sah auf die Uhr. „In einer knappen Stunde verschwindet die Sonne hinter dem Bergmassiv“, sagte er. „Haben Sie keinen Spaten?“
    Anica lachte kopfschüttelnd. „Ich? Warum?“
    Wortlos stieß sich Nymiah von dem Stein ab und stapfte zu einem Kamerad, der in zwanzig Schritt Entfernung auf dem Rücken lag und auf einen kreisenden Greifvogel am Himmel starrte. Der Corporal kam mit dem Klappspaten zurück, drückte ihn der Reporterin in die Hand. „Sorry, Ma´am“, sagte er. „Ich weiß nicht, was die anderen treiben, aber wir zwei graben uns ein Loch.“
    „Das klingt nicht so gut“, sagte sie und fühlte sich plötzlich wie eine Mücke zwischen zwei Handflächen: jeden Moment könnten sie zusammenschlagen – und alles war aus. „Wozu eigentlich“, wollte sie wissen, „wenn wir gleich von den Helikoptern aufgenommen werden?“
    „Eben deswegen“, erwiderte er. „Ich weiß, dass der Reigen hier noch nicht zu Ende ist. Los, Ma´am, wir haben wenig Zeit! Was sein muss...“
    „...muss ein“, vollendete sie.
    Er begann zu schaufeln. Sie tat es ihm gleich. Es war eine mühselige Arbeit. Die karge Erde am Kuppenrand war von zähem Wurzelwerk durchzogen, von Gestein durchsetzt, und sie schafften nur eine Mulde von dreißig Zentimeter Tiefe.
„Die bosnische Erde ist verflucht hart“, sagte Anica.
    „Beinhart“, bestätigte Nymiah. „Bis du so tief gebuddelt hast, dass Kopf und Hintern geschützt sind, musst du Ströme von Schweiß vergießen. Schade, dass die Serben nicht wissen, was wir hier schon alles für sie ausgehoben haben. Denn wenn sie´s wüssten, würden sie auf der Stelle das Feld räumen.“
Die Pointe zündete nicht bei der Reporterin. Doch Nymiahs Vermutung bestätigte sich. Als die erste Kette der weißen Helikopter neben der Wacholderkuppe niederging, und Anica schon den Spaten

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