Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)
Herz froh gemacht.
Da kommt eine feindliche Kugel
Bei solch einem fröhlichen Spiel.
Trifft unseren kleinen Trompeter,
Mit seligem Lächeln er fiel.
So nehmen wir Hacke und Spaten
Und gruben dem Lieben ein Grab.
Und die ihn am liebsten haben,
Die senkten ihn stille hinab.
Ruh´ sanft, du kleiner Trompeter,
Wir sind dir alle so gut.
Ruh´ sanft, du kleiner Trompeter.
Du fideles Draufgängerblut.“
Lächelnd und gerührt blickten die Soldaten und die Journalistin auf Noah Nymiah, der selber lächelte, ein wenig verlegen, doch bewegt auch er, weil alle ab der zweiten Strophe die Melodie mitgesummt hatten. Den meisten waren Schauer der Ergriffenheit über den Rücken gelaufen, so auch der Reporterin, deren Gemüt sich der Stimmung nicht hatte entziehen können. In vollkommener Ruhe lauschten sie den Liedversen des Corporals nach, und als winziges Pünktchen am mittlerweile schwarzgrauen Firmament stand der Beobachtungshelikopter, störte leise surrend die friedliche Andacht der Soldaten. Die Aufklärer konnten die gegnerische Artillerie nicht ausmachen, weil nicht gefeuert wurde, solange keine Libelle versuchte, auf der kahlen Ebene niederzugehen.
„Was ist aus den übrigen Einheiten der Operation geworden?“ fragte Anica. Allmählich, von Strophe zu Strophe des Liedes vom kleinen Trompeter, waren ihre flatternden Nerven zur Ruhe gekommen.
„Wie ich hörte, hat man sie noch tagsüber ausgeflogen“, erwiderte der Oberleutnant sich räuspernd, da selbst er einen Kloß der Rührung im Halse hatte.
„Also auch meinen Kollegen?“
„Vermutlich. Außer einigen Patrouillen wurden sämtliche anderen Truppenteile gleich nach dem versehentlichen Raketenangriff zurückgezogen.“
„Schönes Versehen“, bemerkte Nymiah, schon wieder sarkastisch.
„Die sitzen jetzt alle gemütlich und sicher in den Stützpunkten“, sagte der Offizier gallig.
„Ob wir hier jemals mit heiler Haut herauskommen?“ fragte Anica. „Wir sitzen doch in der Falle.“
„Abwarten“, entgegnete der Oberleutnant, „was das Hauptquartier in Kiseljak sich einfallen lässt.“
„Wir möchten ebenso gerne raus wie Sie, Ma´am“, schloss sich der Corporal an. „Wenn Sie das beruhigt. Nur das Leben bietet Gewähr dafür, begangene Fehler wieder gutzumachen.“ Er schwieg eine Weile, sich auf die Unterlippe beißend, setzte dann hinzu: „Was ich noch loswerden will, bevor es vielleicht zu spät ist: Wie Sie sehen, versuchen wir hier, gute Kameradschaft zu halten. Das ersetzt natürlich vieles von dem, was wir entbehren, doch längst nicht alles. Und nun sind Sie bei uns erschienen und sitzen in unserer Mitte. Wir freuen uns über Ihre Anwesenheit, und wenn wir Sie anschauen, ist es, als ob wir Fotos unserer Liebsten betrachten und in Gedanken bei ihnen sind. Wenn Sie verstehen, was ich meine.“ Er zog den Flachmann aus der Hosenseitentasche, entkorkte sie. „Ich trinke also auf die menschliche Wärme und darauf, dass Sie sich bei uns wohlfühlen und wir uns mit Ihnen. Cheers!“ Er nahm einen Schluck, reichte der Journalistin das Fläschchen; angerührt und mit ein wenig beschämtem Lächeln dankend tat sie es ihm gleich.
Auf dem Gebirgsscheitel, in gleicher Höhe mit dem Gipfelkreuz, balancierte das Halbrund der abnehmenden Mondsichel, klar und groß und beinahe rötlich. Nymiah legte sich auf den Rücken in die Mulde, das Automatgewehr zwischen die Oberschenkel klemmend und das Sturmgepäck als Kopfkissen benützend, und rekelte sich solange, bis er eine hinreichend bequeme Stellung gefunden hatte, schloss die Augen.
„Weckt mich“, sagte er gähnend, „wenn´s weitergeht“, summte: „Ruh´ sanft, du kleiner Trompeter...“, und schlief ein.
Aus einem zerfetzten, von Splittern versengten Zwergkiefernstamm tropfte ihm Harz auf die Nase. Es roch nach Kiefernnadeln und Brand. Zwischen dem dunklen Grün des Wacholders leuchteten schreiend weiß wie die nackten Knochen eines offenen Bruchs die frisch zersplitterten knorrigen Äste.
Das Funkgerät quäkte in Nymiahs Lied, das ein Kamerad aufgenommen hatte, und wenig später raunte der Oberleutnant Anica zu, ihr Kollege Zudeck-Perron habe sich bis vor kurzer Zeit im Gefechtsstand aufgehalten, versuche jedoch gerade, mit einer Patrouille bis zu ihnen durchzukommen.
„Der Kerl muss einen Spleen haben“, schimpfte der Offizier. „Und so was hat man uns als ausgefuchsten Kriegsberichterstatter angepriesen...“
Er befahl den Posten, auf das Auftauchen eines Spähtrupps zu
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