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Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Titel: Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Schaaf
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achten und nicht gleich loszuschießen, bevor auch er sich an einen Stein lehnte und ihm die Lider zufielen.
    Zudeck-Perron, dachte Anica, die am Kopfende der Mulde mit angezogenen Beinen dasaß. Ihm ist wohl aufgegangen, was er verpasst hat. Und jetzt will er es nachholen, der närrische Tropf. Bei Nacht über die kahle Ebene bis hierher? Sie legte den Kopf auf die Knie und lauschte in die Dunkelheit, wo sich auf dem nächsten flachen Hügel eine große Buschkuppe schwach gegen den dunklen Horizont abzeichnete.

46 Der Kämpfer im Wacholder
     
    Der Mann unter dem Wacholderbusch, der die Leuchtpistole abgefeuert hatte, lauschte ebenfalls. Er hatte gerade eine Handvoll Salzgemüse mit Mais gegessen, da er sich nicht durch einen knurrenden Magen verraten und den tödlichen Feuerstoß aus der MP einer gegnerischen Patrouille einhandeln wollte, wie es seinem Bruder vor einer Woche widerfahren war. Als er nurmehr gleichmäßiges Schnarchen hörte, hob er lautlos den getarnten Deckel seines unterirdischen Versteckes, steckte den Kopf heraus und starrte in die Dunkelheit. Er besaß scharfe Augen und sah den Trupp in demselben Augenblick, als er das Scheppern von aneinanderschlagendem Metall hörte. Unwillkürlich griff er zu seiner Waffe, während die sechs Gestalten als Schatten an dem vom Mondlicht bereiften Gebüsch vorbeischlichen. Noch nicht, sagte er zu sich selbst, erst nach Mitternacht. Er horchte aufmerksam hinter der Patrouille her. An etlichen ähnlichen Stellen lagen seine Kameraden versteckt, aber noch war die Stunde nicht gekommen. Der Mann unter dem Wacholderbusch konnte warten.
    Nach weniger als einer Viertelstunde vernahm sein feines Gehör wieder ein Geräusch. Sie sind im Kreis um die Kuppe herumgelaufen, überlegte er. Aber es waren nur zwei Männer. Der eine trug die Maschinenpistole schussbereit vor dem Oberkörper, über seine Schulter ragte die Antenne eines der modernen amerikanischen Funkapparate. Der andere war ungewöhnlich bewaffnet und trug auch keinen Helm. Auf seiner Brust baumelten zwei Gegenstände, ein flaches, verchromtes Instrument und ein kleiner schwarzer Kasten, aus dem sich ein Miniaturkanonenrohr zu recken schien. Die Gestalt war groß und breithüftig. Der Mann unter dem Wacholderbusch legte seine Waffe an. Fotoapparate, schoss es ihm durch den Kopf. Er zielte sorgfältig durch das Zielfernrohr. Den Lauf mit dem Schalldämpfer hatte er auf einen Stein gelegt und hielt die Waffe vollkommen ruhig. Lautlos zählte er nach einem Schrittgeräusch der Männer: „Eins...“, suchte den Druckpunkt, „zwei...“, zog denkbar langsam durch, und bei „Drei“ löste sich der Schuss mit einem fast unhörbaren „Plopp“, das mit dem letzten Tritt des Soldaten zusammenfiel.

47 Der Fotoreporter auf dem Kriegspfad
     
    Zudeck-Perron war dem Soldaten in wenigen Schritt Abstand gefolgt. Der Mann kam ihm unheimlich vor. Am Gefechtstand hatte ein verletzter serbischer Soldat gelegen. Beim Eintreffen des Fotografen dort war er gerade vernommen worden, um herauszufinden, wo die Granatwerfer standen. Der Verletzte aber war schweigsam geblieben. Da hatte der Soldat den von einem Geschoss zerschmetterten Fuß gepackt und langsam umgedreht. Eine Antwort hatte er hingegen nicht bekommen. Zudeck-Perron war es gelungen, stiekum eine Serie Bilder von der Szene zu schießen.
    Als dieser Soldat nun in seinem Schritt zu stocken schien, hielt auch Zudeck-Perron inne und horchte. Die mit dürrem Buschwerk durchsetzte steinerne Ödnis musste nach menschlichem Ermessen als feindfrei gelten, doch konnte man Überraschungen nie völlig ausschließen. Er wollte den Soldaten gerade fragen, was es gäbe, als der Mann vor ihm unvermittelt langsam in sich zusammensackte. Der Fotograf ließ sich instinktiv neben ihm zu Boden fallen. Der Soldat gab ein leises Röcheln von sich, mehr nicht. Ein Schuss war nicht zu hören gewesen. Zudeck-Perron überlegte fieberhaft, was geschehen sein konnte. Ein Schlangenbiss? Das dauerte gewöhnlich mindestens eine halbe Minute. Er spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach.
„Heda, Soldat!“ rief er unterdrückt.
    Er wartete vergeblich auf eine Antwort. Kurz entschlossen drehte er den Gefallenen auf den Rücken. In seinem Hals klaffte ein Loch, Blut tropfte glänzend im dünnen Schein der kleinen Stabtaschenlampe zu Boden und tränkte die steinharte Erde. Für etliche Sekunden war Zudeck-Perron nicht in der Lage, das Geschehnis zu erfassen. Ein eisiger Schauer lief seinen Rücken

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