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Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Titel: Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Schaaf
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Gefängnisbau kam ein weiterer Soldat gelaufen, ein kleines Kätzchen am Nackenfell haltend. Nach einem Wink des Obersten mit seiner MP warf er dem Hund das miauende Bündel vor die sabbernden Schnauzen. Die Soldaten, die die Hundsköpfe mit der Kette hielten, lockerten ein wenig den Zug, doch kümmerte sich der Hund überhaupt nicht um die kleine Katze. Sein Mischlingskörper aus mindestens drei Hunderassen wand sich, sein Nackenfell sträubte sich und seine Häupter mit stierenden, blutunterlaufenden Augen zuckten krampfhaft unter dem Fesselzug der Ketten.
    „Aufgepasst jetzt“, rief Zudeck-Perron Anica zu. „Ich habe mit dem Fettsack geredet. Beim zweiten Blauen hat er verstanden. Er riskiert es. Wenn ich ihm mein Zeichen gebe, erleben Sie eine befreite zweiköpfige Bestie und eine Menge tödlich erschrockener Leute ringsum.“
    Zudeck-Perron wechselte den Film und nahm den zweiten Fotoapparat, bevor er dem Oberst zuzwinkerte. Da geschah es. Auf die Gebärde des Offiziers hin ließen die Soldaten die Kette los und sprangen beiseite. Das Hundevieh war frei. Zudeck-Perron begab sich unwillkürlich in respektvolle Entfernung, ohne im emsigen Knipsen nachzulassen. Auch Anica trat zurück, während sie das Geschöpf filmte, das sich auf die Hinterbeine setzte und die Köpfe reckte. Dann erhob es sich und begann auf den Oberst zuzutrotten, der aus der Hüfte zielte mit dem Finger am Abzug, jedoch nicht schoss. Anica schwenkte die Kamera von dem Offizier auf ihren Kollegen, der den Oberst in dieser Pose fotografierte. Sie machte noch einige Aufnahmen von den fassungslosen Menschen, bis sie den Hund wieder im Bild hatte. Der wandte sich plötzlich von dem Offizier und den Menschen ab, seine Häupter schaukelten einige Male hoch über dem Rumpf, als er sich in Trab setzte und in entgegengesetzter Richtung davonstob. Sekunden später hatte er bereits den offenstehenden Eingang des Gefängnisbaus erreicht. Der dort postierte Soldat rettete sich mit einem hastigen Sprung auf ein Steinpodest, die Kreatur indes preschte durch die schwarze Türöffnung.
Der Oberst hatte konsterniert zugesehen und machte bereits Miene, einen Befehl zu erteilen, als Zudeck-Perron ihm etwas zurief. Das Gesicht des Offiziers hellte sich sichtlich auf, er lachte wiehernd und lud Anica mit einer Handbewegung ein, ihm zu folgen. Die Angehörigen der UN-Delegation ließ er gestraft durch seine Nichtbeachtung stehen und trat durch das Portal. Zudeck-Perron hatte währenddessen das Blitzgerät aufgesteckt und rannte los.
    Anica, die ihre Kamera auf Nachtbetrieb umstellen musste, gelangte hinter ihrem Kollegen in das Gebäude, wo schon sein Blitzlicht aufzuckte.
Durch den langgestreckten Bau zog sich ein breiter Gang. Zu beiden Seiten reihte sich eine Zelle an die andere. Es waren winzige, feuchte Steinverliese ohne Fenster. Front und Decke bestanden aus robusten Stahlgittern. Das Hundegeschöpf war an den senkrechten Eisenstäben der Käfige entlanggestrichen, verhielt nun und versuchte, seine beiden Köpfe durch die Zwischenräume in eine der Zellen zu stecken. Im grellweißen Schein von Zudeck-Perrons Blitzlichtgewitter sah Anica die entsetzten Gesichter der acht Insassen, die dicht aneinandergedrängt zur hinteren Wand zurückgewichen waren.
„Phantastisch“, schrie der Fotograf, wobei er unablässig den Auslöser seines Fotoapparates betätigte. „Aber die Gitterstäbe stören.“
    Wie auf Kommando wurden die Stahlgatter nach oben gezogen.
    „Sensationell“, brüllte Zudeck-Perron. „Das Monstrum auf Menschenjagd.“ Er turnte mit einer Geschmeidigkeit, die man seiner Körperfülle gar nicht zutraute, auf das Deckengitter, hielt die Kamera durch die sicheren Stäbe und fotografierte die Köpfe der Kreatur, die vor den Gesichtern der Gefangenen hin- und herschlenkerten, weil sich jede sabbernde Schnauze für ein anderes Opfer zu entscheiden schien. Die Unteroffiziere verschossen lüstern-gierig klickende Salven aus ihren Fotoapparaten.
Anica hatte ihre Kamera heruntergenommen; die Gesichter der Gefangenen waren sicher aufs Tape gebannt. „Eine blutige Schande ist das“, sagte sie vernehmlich und musste im Blitzlichtgewitter des Kollegen mit ansehen, wie das geifernde Wesen angriff. Seine Köpfe schnappten nach dem Hals eines Gefangenen, der keinen Platz direkt an der Wand hatte finden können. Der Mann taumelte, fiel. Augenblicklich stand die Kreatur über ihm, und es kam nur deshalb nicht zum Zubiss, weil keiner der Köpfe beim Zuschnappen

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