Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)
kam er seinem bevorstehenden Kurzurlaub mit seiner Freundin Anica näher. Er achtete kaum auf die Instrumente, sondern malte sich vielmehr aus, wie überrascht die Journalistin sein würde, wenn er abends plötzlich in ihrem Hotelzimmer aufkreuzte. Er schaute auf das Foto seiner Geliebten, das am Cockpitfenster schaukelte. Sie und er, beide liebten sie spontane Handlungsweisen. So hatten sie sich kennen gelernt. Beide besaßen rasche Auffassungsgabe verbunden mit sicherer Menschenkenntnis. Dragan rief sich gerne ihre erste Begegnung in Erinnerung, die gleichzeitig ihren ersten gemeinsamen Flug bedeutet hatte. Grundsätzlich nahm er niemals Passagiere mit, doch Anica hatte sich in einem unbeobachteten Augenblick in seine Frachtmaschine geschmuggelt und jeden Abweisungsversuch, geschweige denn Rauswurf mit dem unwiderstehlichsten Lächeln und unglaublichsten Argumenten abgewehrt. Es kam ihm vor, als sei es eben gestern gewesen.
„Wo kommen Sie eigentlich her?“ fragte er dann in akzentfreiem Deutsch, amüsiert über ihr Bemühen, ihn nicht anzustarren und gleichzeitig aber auch nicht wegzusehen.
„Aus dem Stari Grad“, entgegnete sie, und ihre gut gebauten Brüste mit den sich deutlich abzeichnenden kleinen Warzen hoben und senkten sich schneller.
„Ich meine, wo Ihre Familie...?“ fragte er.
„Wer will das wissen?“ fragte sie zurück.
„Warum weichen Sie meiner Frage aus?“
„Bin ich etwa verpflichtet, auf Ihre Frage zu antworten?“
„Nein. Ich weiß.“
Anica sah ihm in die Augen. Ihre Augenwinkel kerbten Dutzende winzige Lachfältchen, und auch ihre Lippen kräuselten sich zu einer Art Lächeln, selbst wenn sie gar nicht lächelte.
„Bei Ihnen habe ich den Eindruck“, sagte er, „als könnten Sie durch meine Augen in meine Seele hineingucken. Und das Schärfste dabei ist: Es macht mir überhaupt nichts aus.“
„Dass ich all die garstigen Geheimnisse entdecken könnte...“
„...die wir jetzt lieber vergessen sollten.“
Er zeigte ihr seine weißen Zähne in dem dunkelbraunen, lächelnden Gesicht, sich bewusst, dass er gut aussah mit den hohen Backenknochen, den verschmitzten, ein klein wenig nahe beieinanderstehenden Augen und der um ein Weniges herabhängenden Unterlippe sowie den kleinen Grübchen in den Mundwinkeln. Und er dachte, dass sie apart aussah und eine richtige Schönheit wäre, wenn die harte Balkansonne und andere Widrigkeiten ihr nicht den Teint und das Blondhaar gegerbt hätten.
„Ich habe zwei Kinder in Berlin“, sagte sie. „Zwillinge.“
„Aha. Dachte ich´s mir. Ich meine: Sie sehen aus wie eine Deutsche.“
„Und sie sehen aus wie ein serbischer Orthodoxer.“
„Na, na – ich mag Deutsche leiden.“
„Weil sie blond sind?“
„Weil sie deutsch sind, so verdammt gründlich, so intensiv, so sensitiv, besonders die Frauen... vor allem im Bett.“
Anica schwieg mit hübsch offenstehendem Mund, scheinbar nach einer pointensicheren Replik zu suchend.
„Ich liebe Mohikaner“, sagte sie schließlich, „und Sie haben bestimmt eine gutaussehende, sympathische Frau.“
Er schüttelte den Kopf, dass seine halblange, lockige Mähne flog. „Indianerinnen mag ich auch gern. Aber eigentlich sind´s doch deutsche Frauen aus Berlin, die mir gefallen.“
„Finden Sie jedermann, der einem guten Clinch nicht abgeneigt ist, so sexy?“
„Jede Frau, die einen solchen Krach schlagen kann, wie Sie gerade eben, halte ich für ziemlich vielversprechend.“ Sein blitzender Blick wanderte zwischen Anicas Augenpaar hin und her.
„Herzlichen Dank.“ Ihr Lächeln besagte, dass sie ein ehrlich gemeintes Kompliment als solches erkennen konnte.
„Sie sind nicht der erste...“, fuhr sie stockend fort, „der meint, dass ich aussehe wie eine Krauttucke.“
„Kokettieren Sie ruhig weiter mit Ihrer falschen Bescheidenheit. Es wird Ihnen nichts nutzen...“
Er hatte sich eine Flasche alkoholfreien Bieres gegriffen aus einem festgelaschten Kasten, sie an der Bordwand geöffnet und sich rasch wieder umgewendet, wobei er Anica die überschäumende Flüssigkeit in den Schoß goss.
„Ich bitte vielmals um Entschuldigung“, murmelte er immer wieder und wischte erst mit der Hand über Anicas Hose, dann mit einem Papiertaschentuch und schließlich mit seinem Jeanshemd, das er unvermittelt auszog, zusammenknüllte und ihr dann reichte, damit sie ihren Overall abtupfen konnte. Doch sie saß einfach nur da und starrte auf seine spärlichen schwarzgelockten Brusthaare.
„Es
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