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Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Titel: Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Schaaf
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macht wirklich nichts“, sagte sie. „Gar nichts.“ Ihr Lächeln und Augenstrahlen strafte sie Lügen; sie schien es ganz toll zu finden.
    „Sie gehören doch nicht etwa zu den kleinkarierten deutschen Mittelstandsdamen, deren Humorschatz auf einer Seite eines Taschenkalenders Platz findet?“
    „Sind Sie denn ein waschechter Primitiver?“ fragte Anica herablassend zurück – einmal mehr nach dem alten kriminalistischen Dreh, der ihr in Fleisch und Blut übergegangen war: Stell jede Frage auf den Kopf und stoß sie dem Fragenden in den Hals zurück.
    „Ein unverbildeter Naturmensch“, erwiderte er cool, „der jetzt diese Tupolew in den Himmel jongliert. Wegen mir sind Sie halt als Co-Pilotin dabei. Es geht nach Split. Okay?“
    „Yes, Sir, Captain.“ Genau dahin hatte sie gewollt.
    „Jetzt ist dann aber Schluss mit Sülze. Wie heißt du?“ Er hörte selbst den eigenartigen Ton in seiner Stimme und hoffte, dass sie´s nicht mitbekäme.
    „Anica. Und du?“
    „Dragan. Bist du schon länger hier oder ein Sprachgenie?“
    „Etliche Monate. Aber vielleicht konzentrierst du dich besser auf den Steuerknüppel, Flughund.“
    Die ganze Luftreise über hatte er gegrinst. Anica weiter gelächelt. Beide hatten sie gefühlt, dass ihnen – endlich – ihr Traumpartner über den Weg gelaufen war. Bei ihrem zweiten Treffen in Sarajevo hatten sie sich rasch durch ihren gleichgearteten Charme gegenseitig überwältigt.
    Dragan Miculic merkte auf, sich nur widerwillig aus seinem Tagtraum lösend, und konzentrierte sich auf seine aktuelle Aufgabe als Pilot, als er zwei feine silberne Striche heranschießen sah, zwei pfeilgeschwinde, einstrahlige Jagddüsen, die vom italienischen Stiefel zu kommen schienen.
„Okay“, sagte er stoisch ins Mikrophon, „ich ziehe nach unten weg.“ Er drückte leicht auf den Steuerknüppel und die Nase der TU senkte sich.
    „In Ordnung, Flughund“, ertönte die Stimme des Staffelkapitäns aus dem Cockpitlautsprecher und schon war die Flugformation aus spitzen Dreiecksflächen dicht über dem Frachtclipper hinweggeröhrt.
„Schweinebacken“, sagte Dragan fröhlich. Da werden mir die Blutkonserven sauer, dachte er, wenn sie meine olle TU immer so mit ihren „Strike Eagles“ durchrütteln.
    Als der Flieger in Vojkovic aufsetzte, brannten bereits die Scheinwerfer und Perlenschnüre der Startbahnbegrenzungen. „Das wäre doch nicht nötig gewesen“, sagte Dragan ins Mikrophon an die Adresse des Towers.
    „Der Verband bosnischer Chirurgen hat schon auf dich gewartet, Flughund“, entgegnete der Lotse.
    Krähen hockten in den Wipfeln der Birken am Flughafengebäude. Sie hatten sich von der landenden Maschine nicht stören lassen. Sie galt ihnen einfach als ein anderer Vogel, groß, laut, vertraut, harmlos.
    Die Abfertigung machte keine Schwierigkeiten, und nachdem der Pilot den Frachtclipper aufs Abstellfeld gerollte hatte, fand sich tatsächlich auch noch ein Taxi, das ihn geradewegs zu Anicas Hotel brachte.
    Der weißhaarige Nachtportier hatte soeben seinen Dienst wieder aufgenommen, er öffnete und begrüßte den Piloten. Seit die Deutsche hier wohnte, war er mehrmals hier gewesen. „Hatten Sie einen guten Flug, Gospodine?“ fragte der Alte.
    „Es ist immer gut“, antwortete Dragan, „am Ziel zu sein.“
    „Gospodjice Klingor ist außer Haus“, sagte der Greis. „Wollen Sie hier unten...?“ Er hielt inne, wog den ungefügen Kopf auf dem Hals, der einer Schulter statt der Wirbelsäule zu entwachsen schien. „Ach was, einem guten Freund von Gospodjice Anica gebe ich den Schlüssel.“
    „Sehr freundlich“, sagte Dragan und nahm den Schlüssel aus den gichtknotigen Händen des Alten entgegen, lief, drei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinauf. Das Zimmer war nicht besonders gut aufgeräumt. Man sah, dass hier gearbeitet wurde Anica Klingor war eine Veejay, eine Videojournalistin, ein Job, der mehrere Arbeitsplätze zu einem einzigen vereinte, ein Ein-Personen-TV-Team: Sie war gleichzeitig Kamerafrau, Tontechnikerin, Cutterin, Autorin und Aufnahmeleiterin; entsprechend chaotisch stellte sich ihr Schaffensraum dar.
    Warten, dachte Dragan, sie wird mich finden, wenn sie von ihrem Job heimkommt, und sich freuen. So soll es sein in einer gleichwertigen Partnerschaft. Eine dumme Angewohnheit, schalt er sich unvermittelt, sich alles vorher oder auch im Nachhinein aus- und zurechtzumalen. Er warf sich aufs Bett. Von den Berghöhen war das Grollen der Granatwerfer zu hören,

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