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Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Titel: Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Schaaf
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Gefährt in gleichmäßiger Fahrt die Wellen durchpflügte, betrachtete sie argwöhnisch den Plastbeutel mit Kleinstkamera und Filmkassetten.
    Der Sergeant wog den Kopf. „Ob das mal dicht gehalten hat!“ Die Journalistin, überzeugt, dass nicht ein Tropfen Wasser eingedrungen war, schwieg mit krampfhaft zusammengebissenen Zähnen, noch versagten die Stimmbänder ihr den Dienst.
    Im Mondlicht, einige Stunden vor Sonnenaufscheinung, erreichten sie die Anlegestelle in Foca. Anica hatte einen Teil ihrer Kleidung über dem Außenbordmotor getrocknet. Sie kletterte an Land und ging auf ihren Roller zu. Der Sergeant war ihr nachgelaufen. „Tut mir echt leid, Madam“, sagte er, sich den Bart kratzend, „dass die Fahrt so enden muss. Allerdings kann ich von Glück sprechen, dass Sie nicht draufgegangen sind. Man hätte mich ordentlich aufgemischt!“
    „Vier Ihrer Leute haben dran glauben müssen dabei, Mann! Berührt Sie das gar nicht?“
    „Doch bestimmt. Glauben Sie mir! Auch wenn man mir´s nicht ansah. Tu ich nie gerne: Einen Toten melden und drei Vermisste noch dazu. Aber so ist das nun mal.“
    „Im Krieg“, warf die Journalistin ein. „Das ist doch kein normales Leben!“
    „Krieg ist beschleunigtes Leben, Madam, nichts weiter. Im normalen Leben sterben die Menschen und im Krieg sterben sie, nur mit einer anderen Geschwindigkeit.“
    Sie standen im grellen Licht einer Scheinwerferbatterie, die den Landungssteg beleuchtete. Der Steuermann trug immer noch seinen Korkgürtel über der schlappen Schwimmweste und auf dem Kopf den Cowboyhut, der allerdings seine Form völlig eingebüßt hatte. Auch die Uniform klebte verdreckt an seinem Körper.
„Bleib so stehen, Sergeant“, sagte die Reporterin und filmte den Unteroffizier mitten auf den Holzplanken. „Das ist die Schlusssequenz für meinen Reportagestreifen: Rettung des Patrouillenführers.“
    „Wehe, Sie erwähnen meinen Namen“, drohte er missmutig.
    „Wie heißt du denn, Soldat?“ fragte sie und bestieg den Roller.
    „Norman Ireland“, antwortete er, drohte mit dem Zeigefinger.
    Anica gab Gas. Niemand ist eine Insel, schoss es ihr durch den Kopf, und sie fröstelte arg in der kühl gewordenen Nacht mit ihren klammen Kleidern. Du müsstest einen Kabinenroller haben, in dem du die Heizung anschalten kannst, dachte sie, mindestens.

22 Im Stari Grad
     
    Der Nachtportier des Stari Grad riss verwundert die Augen auf. Kurz vor Einsetzen der Dämmerung herrschte noch Dunkelheit, doch war das fahle Licht der Empfangshalle ausreichend, um zu erkennen, dass die deutsche Journalistin aussah, als hätte man sie aus einem Klärbecken der ersten Stufe gezogen. An ihrem schmutzverkrusteten Gesicht ringelten sich goldglänzende Haarsträhnen die Stirne herunter wie Rattenschwänze. Ihr sonst so adretter Overall klebte verdreckt und zerknittert am Körper, zudem ging sie barfuß.
    „Haben Sie einen Unfall erlitten, Gospodjice?“ fragte der Greis besorgt.
„Wenn man so will“, antwortete Anica. „Jedenfalls bin ich ins Wasser gefallen.“
    „Dann seien Sie bitte vorsichtig“, sagte er eindringlich. „Wir hatten einmal einen Gast, der angetrunken von einem Touristenfloß gefallen ist. Er war minutenlang im eiskalten Wasser, bevor er sich ans Ufer retten konnte. Es war äußerst heiß, und so hat er sich von der Neretva in einem offenen Kabriolett bis zum Bus bringen lassen, der ihn nach Stunden hierher gebracht hat. Zwei Tage später hat man ihn mit akuter Lungenentzündung ins Krankenhaus schaffen müssen.“
    „Ich werde heißen Schnaps trinken“, erklärte Anica.
    Der Alte hob warnend den Zeigefinger. „Tun Sie das nur nicht! Allah hat den Genuss von Alkohol untersagt, weil er den Menschen im Innern seiner Seele auskühlt.“
    „Es geschah, weil betrunkene Gläubige schlecht die täglich vorgeschriebenen rituellen Bewegungen vollführen können“, entgegnete sie lächelnd. „Es böte in der Tat ein schlechtes Bild. Sie haben doch noch Slivovitz, ja?“
    Das ungefüge Haupt des alten Mannes nickte eifrig, wenn auch bekümmert. Er bedeutete der Reporterin mit einer matten Geste ihm zu folgen, schlurfte voraus in die Küche. Einem hinteren Fach des Hochschranks entnahm er eine runde, flache Flasche, goss etwas von dem klaren Pflaumenschnaps in einen Stieltopf und stellte ihn auf den Kerosinkocher. Die Stromversorgung war derart unregelmäßig, dass man froh war, Reiseutensilien benutzen zu können, die frühere Gäste bei einer überstürzten Abreise

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