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Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Titel: Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Schaaf
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zurückgelassen hatten. Anica nahm dem Alten lächelnd die Flasche aus der gichtknotigen Hand und leerte sie zur Hälfte in den Topf. Verständnislos schüttelte der Portier den Kopf. „Das würde mich umbringen“, brummte er.
    Sie beobachteten die sich allmählich erhitzende Flüssigkeit und die aufsteigenden Bläschen. „Bei mir zu Hause schwört man darauf“, erläuterte Anica. „Ein altes Hausmittel. Es führt dem Körper innerlich die Wärme zu, die er braucht, und öffnet die Gefäße. Zudem berauscht es und treibt den Schweiß aus den Poren.“ Als das Gebräu leicht zu dampfen begann, nahm sie das Gefäß vom Kocher und setzte es an die Lippen. Mit weit aufgerissenen Augen sah der Greis zu, wie die Fremde den scharfen, heißen Trunk in wenigen langen Zügen hinunterstürzte.
    „Sie staunen nicht schlecht“, sagte Anica. „Doch nun geben Sie mir bitte rasch den Zimmerschlüssel. Sagen Sie dem Personal, dass ich nicht geweckt zu werden wünsche.“
    Die Augen des Greises wurden womöglich noch größer, er fasste sich an den Kopf. „Es ist zu ärgerlich“, brummelte er verlegen. „Ich hätte es Ihnen vorher sagen müssen: Ihr Schlüssel ist bereits oben. Sie werden erwartet.“
    „Erwartet? Von wem?“
    „Verzeihen Sie einem alten Mann seine Vergesslichkeit, Gospodjice. Der Herr ist mit seinem Flugzeug aus Zagreb gekommen, und ich dachte, es würde Ihnen recht sein, ihn auf Ihr Zimmer zu lassen.“ Betreten raufte er sich das spärliche Haar.
Anica konnte die letzten Worte nicht mehr verstehen, so schnell hastete sie aus der Küche. Noch hatte der Alkohol seine volle Wirkung nicht entfaltet. Mit langen Sätzen stürzte sie die Treppe hoch und eilte auf ihre Zimmertür zu, besann sich, schickte sich an kehrtzumachen, als sie den Knauf bereits in der Hand hielt. Mit der einen Hand klopfte sie heftig mehrmals an, mit der anderen drehte sie achselzuckend den Knauf, öffnete.
    Dragan befand sich in den abgründigsten Tiefen des Schlafes. Das Hämmern an der Frachtraumluke aus dem Traum währte fort. Doch sie öffnete und öffnete sich nicht, und so träumte er, dass er aufwachen wollte. Doch jedes Mal, wenn er fast ins Wachsein emporgetaucht war, glitt er wieder zurück in den Schlund der Träume. Er spürte das Gewicht des Alptraums, das sich wie ein Seeelefant auf seine Brust setzte, kämpfte an gegen den Widerstand bleiernen Schlafes. Es hämmerte, es klopfte, jäh fuhr er hoch, schlug die Augen auf und versuchte, vollends wach zu werden. Es dauerte etliche Sekunden, bis er begriff, dass niemand hämmerte, doch jemand an der Tür geklopft hatte. Er sprang vom Bett auf, unversehens hellwach, kam Anica mit ausgebreiteten Armen entgegen.
    „Mein Gott!“ rief sie und umhalste ihn. Sie hing an ihm mit ihrer ganzen leichten Schwere, die er so gut kannte und doch schon fast vergessen hatte. Anfangs hing sie, die Füße in der Luft, dann stellte sie sich auf die Zehenspitzen, reckte sich zu ihm hinauf, zog seinen Kopf zu sich herab, küsste ihn lange auf den Mund. Sie saugte die Luft laut durch die Nase ein, keuchte: „Jesus!“
    „Keineswegs“, entgegnete er mit flink blitzendem Augenpaar. „Vom Himmel hoch, da komm ich wohl her...“
    „...ich muss dir etwas sagen...“
    „...du erwartest mich sehr. Was glaubst du, wie ich mich gesehnt habe...“
    Sie löste sich abrupt von ihm. „Dragan, ich muss dir etwas beichten“, erklärte sie schnell und nicht ohne einen Anflug von Ironie, bevor er sie wiederum unterbrechen konnte. „Ich bin ins Wasser gefallen und habe meinen Camcorder verloren. Und gerade eben habe ich eine Dummheit gemacht, die nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Ich habe so viel heißen Slivovitz in mich hineingeschüttet, dass ich in spätestens zehn Minuten heillos betrunken sein werde.“
    „Du siehst aus wie aus der Kloschüssel gezogen, Anica“, gab er zurück. Auf seiner Stirn bildeten sich die Ansätze von Zornesfalten. Der jammervolle Anblick, den Anica bot, ließ ihn sich eines Besseren besinnen. Er lachte, ein gutturales herzliches Lachen. Seine Augen bekamen Glanz. „Dann leg dich rasch hin, bevor du mir steif mitten im Zimmer hinfällst und ich deine gewaltige Schönheit aufs Bett wuchten muss.“ Er strich das leinene Laken glatt.
    „Du bist umwerfend“, sagte sie mit schleierndem Blick. Zögernd begann sie, sich die Bluse aufzuknöpfen. „Wie lange gedenkst du zu bleiben?“ Sie spürte einzig, dass der Alkohol ihr bereits heftig zu Kopf stieg.
    „Ich

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