Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition)

Titel: Afghanistan, Srebrenica & zurück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Schaaf
Vom Netzwerk:
Menschen eigen ist. Im Traum focht das Mädchen seinen ständigen, aufreibenden Kampf mit dem Angstgefühl in sich aus, dabei durchbrach es Straßensperren, hob Gräben und Verbindungsgänge aus und errichtete Panzerhindernisse unter detonierenden serbischen Granaten... Jählings fand sie sich von einem Kameraden aus Schlaf und Traum und den Armen Zudeck-Perrons gerissen und zum Mitkommen aufgefordert. Der Fotoreporter sah ihr mit Beklemmung nach, folgte ihr dann.
    Mary-Jo hob langsam die Hände. Das ist die Katastrophe, vor der sich Burkhart immer gefürchtet hat, war ihr erster Gedanke. Die Genugtuung überlebt zu haben, wurde von der Angst vor ihrem weiteren Schicksal verdrängt. Nicht im Traum hatte sie damit gerechnet, im Balkan als Gefangene zu landen. Es schien sich nicht einmal um serbisches Militär zu handeln, sondern um islamische Bosnier sowie Mudschahidin, arabische Kämpfer, die in Afghanistan keine ihnen genehme Verwendung mehr fanden. Was bedeutete das? Folter? Vergewaltigung? Zwangsarbeit? Endloses Dahinvegetieren in einem Konzentrationslager, wie es die Fernsehbilder zeigten? Mary-Jo reckte die Hände so hoch über den Kopf, wie sie konnte. Am Leben bleiben, dachte sie, nur jetzt nicht getötet werden. Bestimmt gab es bald Gelegenheit, ausgetauscht zu werden. Wenn einer der Soldaten hinter mir den Finger krümmt, ist alles vorbei. Warum hat das verfluchte Maschinengewehr auf der Kuppe mich erwischt und nicht einen der beiden anderen? Ausgerechnet mich trifft es!
    Das Mädchen, gefolgt von einer Schar Journalisten, darunter Paul Zudeck-Perron und Anica, kam herbei. „Nehmen Sie die Arme runter“, sagte Lepa Brena. „Sie sind Gefangene der Kämpfer Allahs.“ Die junge Frau blätterte die Dokumente durch, die es von einem Soldaten bekommen hatte. Dabei entging ihr, dass die Pilotin entgeistert auf Anica starrte. Der Schreck über dieses unvermutete Wiedersehen fuhr auch Mary-Jo derart in die Glieder, dass sie die Arme nur ein wenig sinken ließ, allein die Hände baumelten schlaff herunter. Unverwandt blickte sie die Reporterin an.
    „Warum starrt sie Sie so an?“ raunte Zudeck-Perron Anica zu.
„Ich habe am letzten Wochenende bei ihr Champagner getrunken“, flüsterte die Reporterin stimmlos.
    „Das ist bitter.“ Sein Adamsapfel tanzte auf und ab.
    Anica war geschockt, gelähmt. So hatte sie sich die Wiederbegegnung mit Mary-Jo nicht vorgestellt. Sie starrte der Pilotin in die Augen, ihre einzige Botschaft hieß Hilflosigkeit, und was sie empfing, waren verbitterte Signale der Verzweiflung.
    Einer der Soldaten, der Mary-Jo gefangengenommen hatte, bedeutete dem Mädchen, sie abzuführen. Zudeck-Perrons herzbeklemmender Blick folgte dem abziehenden Mädchen, bis es nicht mehr zu sehen war. „Was kann die bosnische Armija sonst noch für Sie tun?“ fragte der Soldat die Journalisten.
    „Die Hubschrauberpilotin, die man soeben wegbringt, ist eine Bekannte von mir“, erklärte Anica wieder gefasst und trat sicheren Schritts vor den Soldat. „Ihr Mann lebt derzeit in Sarajevo. Ich möchte Sie darum bitten, dass sie ihm durch mich ein Lebenszeichen übermitteln darf.“
    Der Soldat sah die Reporterin überrascht an. „Dann berichten Sie ihm doch, was Sie hier erlebt haben.“
    „Sie wissen...“, hob Anica vorsichtig an, „dass ich es so nicht meine.“
    In den Augen des Soldaten glomm ein Fünkchen Misstrauen. „Sie wollen, dass die Pilotin Ihnen ein Schreiben an ihren Mann mitgibt?“
„So ist es. Ich kenne ihn. Er wird äußerst beunruhigt sein.“
    „Das muss ich strikt untersagen, Frau Reporterin. Ich habe Ihr Gesicht mit Ihrem Namenszug darunter deutlich aus Fernsehbildern in Erinnerung. Deshalb wundere ich mich doch ein wenig.“
    „Was meinen Sie?“
    „Dass die Dame Pilotin eines amerikanischen Kampfhelikopters ist, den man weiß angestrichen und mit den Buchstaben UN versehen hat. Möglicherweise ist die eigentliche Dienststelle der Frau in Langley, Virginia.“
    „Sie ist Offizierin einer UN-Heeresfliegerstaffel.“
    „Vielleicht ist sie gar keine Frau, sondern ein verkleideter Spion.“
„Vielleicht sind Sie kein Soldat der islamisch-bosnischen Armee, sondern Ziegenhirt vom Hochkarst.“
    „Das ist mein Vater in der Tat ein Leben lang gewesen. Ich bin Verteidiger des Vater-Landes und sage Ihnen, Gospodjice, dass die Gefangene ihrem Mann wird schreiben können, sobald sie in einem Lager ist und die Umstände es ermöglichen.“
    „Ist das ihr letztes Wort?“
    „Sie

Weitere Kostenlose Bücher