African Angel - Mit 50 Cents die Welt veraendern
das Lachen gründlich verging.
EIN ABSCHIED OHNE ABSCHIED
Wir wollten niemandem von unserer Abreise erzählen. Anthony meinte, so sei es am romantischsten. Ein richtiges Abenteuer. Auf einmal liebte er Überraschungen und Geheimnisse – er war wie ein kleiner Junge. Ich fand das amüsant und ließ ihm seinen Spaß. Wir erlebten eine Zeit der Liebe wie schon lange nicht mehr. Seit ich zugestimmt hatte, mit ihm nach Deutschland zu gehen, war Anthony völlig aus dem Häuschen. Er erfüllte mir jeden Wunsch.
Meine eigene Familie war damals ohnehin weit verstreut. Und ich ging jetzt eben nach Deutschland. Sobald wir dort Fuß gefasst hätten und ich in der Schule etabliert wäre, würden wiralle mit der Neuigkeit überraschen. Natürlich würde ich vor dem eigentlichen Umzug erneut nach Accra fliegen, um noch ein paar Sachen nachzuholen, da wir jetzt nur das Nötigste mitnahmen, und bei dieser Gelegenheit von meinen Lieben richtig Abschied nehmen. In zwei, drei Jahren käme ich ohnehin zurück, je nachdem, wie lange das Studium dauern sollte. Nun flogen wir erst einmal nach Deutschland, damit wir uns dort alles anschauen und die wichtigsten Dinge regeln konnten. Aber zuvor musste ich noch meinen Job kündigen.
Das war für mich das Bitterste von allem. Ich zweifelte nicht daran, dass ich in wenigen Wochen meine Oma wiedersehen und Bernard in die Arme schließen würde. Aber diesen Traumjob aufzugeben, den ich wie durch ein Wunder erhalten hatte, das war etwas Endgültiges. Anthony drängte mich. Schließlich war er es, der die Kündigung für mich schrieb.
Gemeinsam mit einem Cousin fuhr er mich zur Firma. Ich sollte die Kündigung überreichen und gleich wieder mit ihnen nachhause fahren. Auch ich war zu dem Schluss gekommen, dass es so am besten war: kurz und schmerzlos. Ich hatte mich entschieden. Es hatte lange gedauert, aber jetzt war unsere Abreise beschlossene Sache.
Niemals werde ich den Gesichtsausdruck meines Vorgesetzten vergessen. Als ich ihm die Kündigung überreichte, sah er so aus, als schluckte er mühsam die Frage hinunter, ob ich jetzt vollkommen den Verstand verloren hätte. Stattdessen versuchte er, mich zum Bleiben zu überreden. Wollte wissen, warum ich das tat.
»Ich gehe nach Deutschland«, sagte ich.
Er starrte mich an, als sei ich nicht recht bei Trost.
»Was willst du denn in Deutschland?!«
»Ich will dort weiterstudieren.«
»Harriet«, stammelte er, »bist du sicher?«
»Ja!«, sagte ich, wegen dieser Frage ein wenig aufgebracht.
»Weißt du eigentlich«, fuhr er fort, »was wir mit dir vorhaben? Wir haben große Pläne. Jede Woche kommt John von der Uni Kumasi und arbeitet dich ein. Hat er dir nie erzählt, warum?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Du sollst unsere Chefprogrammiererin werden. John hat alle Programme für uns eingerichtet, aber wir wollen unseren eigenen Programmierer in der Firma haben und nicht darauf angewiesen sein, dass John hin und wieder Zeit für uns hat. Wir haben dich ausgesucht. Weil du begabt bist. Weil wir dir vertrauen. Du sollst das übernehmen! Das ist eine Riesenchance, Harriet, die wirft man nicht einfach so hin. In unserer Firma hast du eine Zukunft. Wir haben in dich investiert und werden das weiterhin tun. Wenn du dich fortbilden möchtest, hast du unsere Unterstützung. Du leistest gute Arbeit und bist bei uns an der richtigen Adresse. Du wirst in unserer Firma Karriere machen, dazu musst du nicht nach Deutschland gehen. Glaub mir, ich kenne Deutschland …«
Er redete und redete und ich biss mir auf die Lippen, denn von all diesen Plänen hatte ich nichts gewusst. Warum, fragte ich mich, haben sie mir das nicht früher gesagt. Vielleicht wäre es dann gar nicht erst so weit gekommen. Aber jetzt lag die Kündigung auf dem Schreibtisch meines Chefs, draußen saß mein Mann im Wagen und wurde garantiert schon ungeduldig, zuhause warteten Pass und Flugticket, ich war in einer Computerschule angemeldet – es gab kein Zurück mehr.
Kein Zurück.
Also blieb ich bei meiner Kündigung. Niemand konnte es fassen. Aber so bin ich nun mal. Wenn ich mich für etwas entschieden habe, dann schaue ich nach vorne. Man muss auch bereit sein, etwas zu riskieren, sagte ich mir. Wer immer nur an dem festhält, was er schon hat, der kommt nicht weiter. Ich verabschiedete mich und ging hinaus zu Anthony. Ich war bereit für ein neues Leben. Mein Mann hatte mir so viel versprochen. Jetzt war es an der Zeit, dass er seine Versprechen einlöste.
EIN
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