African Angel - Mit 50 Cents die Welt veraendern
ich das schon all die Jahre. Wenn ich jetzt Nein sagte, würde ich ihn brüskieren und vor meiner ganzen Familie bloßstellen. Es wäre ein Skandal und das Ende unserer Beziehung gewesen.
»Ja«, sagte ich. »Ich will.«
Und dann ging alles nach altem Brauch und ganz schnell. Uns wurde ein hochprozentiges Getränk gereicht, das wir trinken mussten. Ganz ähnlich wie in der Kirche mussten wir anschließend rituelle Texte nachsprechen. Anthony schenkte mir Goldschmuck, wie es üblich ist, und spätestens daran merkte ich, wie genau er diesen Coup vorbereitet hatte. Schließlich erhielt die ganze Familie Geld von ihm, welches das Familienoberhaupt nach Ermessen an die anderen verteilte.
Bei einer Hochzeit erhält jeder Verwandte der Braut ein Geldgeschenk, sei er auch noch so weit entfernt verwandt. Und sollte es irgendwann einmal Probleme in dieser Ehe geben, dann fühlen sich alle, die Geld bekommen haben, verantwortlich. Ein Familienrat wird einberufen, der lang und breit die Probleme erörtert. In Afrika rennt man nicht so schnell zum Scheidungsrichter. Man versucht, alle Konflikte im Familienrat beizulegen. Sollte aber ein Verwandter bei der Hochzeit vergessen worden sein und kein Geldgeschenk erhalten haben, dann pflegt er in solchen Krisenfällen auszurufen: »Mit diesem Ehestreit habe ich nichts zu schaffen. Schließlich habe ich kein Geld genommen. Macht das unter euch aus!«
Anthony hatte bei unserer Vermählung nicht gegeizt und jeden meiner Verwandten beschenkt. Das Dumme war nur: Als esspäter zu massiven Problemen in unserer Ehe kommen sollte, war meine Familie weit weg. Kein Familienrat konnte mir zur Seite stehen. Ich war auf mich gestellt und das ist für uns Afrikaner ein großes Unglück. Einzeln sind wir nichts. Nur gemeinsam können wir etwas erreichen.
Kein Mädchen träumt davon, als Anhängsel einer Beerdigung verheiratet zu werden. Vielleicht hätte ich wütend sein sollen. Aber ich liebte Anthony und irgendwie war ich auch gerührt. Hinterher sagte ich ihm, dass ich es mir schon anders gewünscht hätte. Nicht so ohne jede Vorbereitung. Gerne hätte ich meine Mutter dabeigehabt. Von ihrer Seite war lediglich eine Abordnung Cousinen und Tanten zur Beerdigung erschienen, sie selbst befand sich in London bei meiner Schwester. Auch meine Oma, die sich unwohl gefühlt hatte, war nicht zu der Ashanti-Beerdigung erschienen. Bei meiner Hochzeit hätte ich sie unbedingt dabeihaben wollen. Von unserem Sohn ganz zu schweigen. Außerdem war ich in Trauer! Nach Ashanti-Tradition trug ich dem Anlass angemessen Schwarz-Rot, wie bei unserem ersten Kennenlernen an jenem Karfreitag. Im Nachhinein erscheinen mir beide Ereignisse nicht gerade unter einem günstigen Stern gestanden zu haben.
»Aber so war es doch viel romantischer«, verteidigte sich Anthony. »Ganz traditionell nach alter Sitte.«
Da hatte er recht. Aber wir lebten im 20. Jahrhundert. Und nicht in einer Zeit vor der Kolonialisierung. »Weißt du was«, sagte Anthony besänftigend. »Das ganz große Fest holen wir irgendwann nach. Wenn deine Mutter in Ghana ist, es deiner Oma besser geht und wenn Bernard in den Ferien da ist. Dann feiern wir das einfach nach.«
So wurden Anthony und ich also Mann und Frau. Um das Ganze auch noch vor dem Gesetz zu bekräftigen, heirateten wir kurz darauf standesamtlich. Das ist in Afrika keine große Sache, wir feierten das im allerengsten Rahmen. Ich war glücklich. Auchwenn es mir ein bisschen zu schnell gegangen war. Doch Anthony hatte das Ruder ergriffen und steuerte in seinem eigenen Tempo in eine eigene Richtung. Eine Richtung, die mir nicht vertraut war.
Ist das nicht normal, fragte ich mich, wenn man sich liebt? Muss ich meinem Mann nicht vertrauen? Schließlich wollte er nur das Beste für mich. Sogar meinen geheimen Wunsch, Systemanalytikerin zu werden, hatte er mir von den Augen abgelesen. Warum also sträubte ich mich so sehr?
Schließlich sah ich selbst keinen Sinn mehr in meinem Widerstand. Ich ließ die Passbilder machen. Wenn ich sie heute betrachte, kann ich erkennen, dass ich nicht wirklich glücklich darauf aussehe. Kurze Zeit später hielt ich meinen ersten Pass und die Flugtickets in Händen. Hin- und Rückflug, wie Anthony mir es versprochen hatte. Als ich den Pass aufschlug, enthielt er schon ein Visum für Deutschland. Staunend wie ein Kind blätterte ich das Dokument durch. »Housewife« stand unter der Rubrik »Beruf«. Ich lachte darüber. Es sollte nicht lange dauern, bis mir
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