African Boogie
Abwaschen abkommandierte, mit der Anmerkung, dass Intellektuelle »lieber denke als koche sollte«.
Diesen Nasenstüber hatte er sich für seine Weihnachtsmuffelei redlich verdient. Katharina hatte sich schon immer gewundert, wie man Weihnachten nicht mögen konnte: Häuser und Straßen waren geschmückt, alle Menschen grüßten sich freundlich und man machte einander Geschenke – aus keinem anderen Grund, als dem, dass man sich schätzte, mochte oder liebte. Selbst die Verbrecher arbeiteten zu Weihnachten mit halber Kraft. Und an einem besonders denkwürdigen Heiligabend im »Puccini« hatte Katharina erlebt, wie Kurtz mit seinem Erzfeind, dem Anführer der »Russen«, Arm in Arm selig Weihnachtslieder geschmettert hatte.
Jetzt stand Katharina mitten im Restaurantpavillon auf einer Leiter und hängte Weihnachtssterne auf, die aus einer kräftigen Folie, die Augustin aus seinen unendlichen Vorräten ausgegraben hatte, gefertigt waren. Kristina reichte sie ihr an. Der Freiherr und Jean-Luc, der ein erstaunliches Talent mit der Schere hatte, saßen an einem Tisch und schnitten immer neue aus.
Augustin und seine Männer hatten, in Ermangelung einer Tanne, einen kleinen Affenbrotbaum, einen Baobab, ausgegraben und in einer großen Blechwanne in den Pavillon geschafft. Augustin selbst hatte seinen größten Schatz herausgerückt: echten deutschen Weihnachtsschmuck. Außerdem hatte er kleine Püppchen und andere Gegenstände in die Zweige gehängt.
Javier hatte ihn danach gefragt, und Augustin hatte ihm erklärt, es handele sich um Talismane, die die bösen Geister verscheuchen und die guten Geister erfreuen sollten. Daraufhin hatte ihn Javier gefragt, welcher Religion Augustin angehöre, der stolz erklärte, er sei getaufter Katholik. Allerdings könnte er sich ja auch irren. Deshalb ehre er lieber alle afrikanischen Götter. Man wisse ja nie.
Endlich hängte Katharina den letzten Stern auf. Geschafft! Stolz blickte sie von der Leiter aus auf ihr Werk. Doch, der Pavillon sah jetzt sehr weihnachtlich aus. Nun fehlten nur noch eine Dusche sowie festliche Kleidung, und sie war bereit, Weihnachten zu feiern.
Sonne und lauschige fünfundzwanzig Grad im Schatten: Weihnachten in Äquatornähe hatte etwas, stellte sie fest, während sie zu ihrem Bungalow wanderte.
Dort angekommen, legte sie sich zurecht, was sie anziehen würde: ein besonders schönes Bustier mit passendem Slip und das schwarze Samtkleid, das sie Kurtz’ Mädchen in letzter Sekunde entrissen und in ihre Reisetasche gestopft hatte, ohne genau zu wissen, warum.
Zur Feier des Tages gönnte sie sich ein langes Schaumbad in der löwenbefußten Badewanne. Sie lehnte sich zurück und sah in den blauen Himmel über ihr. Alles würde gut werden. Und Ministro? Der war weit fort. Bestimmt hatte er ihre Spur längst verloren.
Sie raffte sich auf, stieg aus dem Wasser und trocknete sich ab. Haare föhnen und bürsten, bis sie glänzten, schminken, ein paar Tropfen Chanel-Parfüm und … Moment! Sie sah in den Spiegel. Was war denn das da auf ihrem Oberarm? Ein kleiner, kreisrunder blauer Fleck. Sie musste sich gestoßen haben. Aber – kreisrund? Ach ja, Sandra Herbst hatte ihr eine Spritze gegeben. An dem Abend, als sie beinahe ertrunken war. Aber so einen Fleck hatte sie doch schon mal gesehen? Nur wo?
Einerlei. Sie schlüpfte in den flauschigen Bademantel und ging in den Wohn- und Schlafraum zurück. Sie wollte eben damit beginnen, sich anzukleiden, als es klopfte. Vor der Tür stand eine zierliche Schwarze: »Laundry?« Sie gab Katharina einen Schmutzwäsche-Sack. »Just put before door later!«, zwitscherte das Mädchen vergnügt und hüpfte weiter zum nächsten Pavillon.
Richtig. Wäsche waschen. Eine gute Idee. Katharina hatte fast keine sauberen Kleidungsstücke mehr. Sie begann, ihre Schmutzwäsche in den Sack zu stopfen. Als sie ein weißes T-Shirt hervorzog, musste sie kurz innehalten: Das T-Shirt hatte sie getragen, als sie Anton, das Warzenschwein, erschossen hatte. Es war über und über mit kleinen Blutstropfen besprenkelt, die inzwischen tiefbraun waren. Das T-Shirt war hinüber, ziemlich sicher. Sie wollte es schon in den Papierkorb werfen, als sie noch einmal stutzte. Sie breitete es auf dem Bett aus und betrachtete es näher. Feine Blutstropfen, die mit hoher Geschwindigkeit auf eine Oberfläche herabregneten. So genannte Rückschleuderspuren. Sie entstanden, wenn man schoss und zu nahe am Ziel stand. Am lebenden Ziel. Vor diesem Blutregen war
Weitere Kostenlose Bücher