African Boogie
ganzen Tag. Inzwischen hatte die Sonne die Insel fast wieder getrocknet. Als sie sich nach Sonnenuntergang endlich aufgerappelt hatte und sich hungrig auf den Weg zum Restaurantpavillon machte, wanderte sie durch Nebelschwaden, die aus der noch feuchten Wiese aufstiegen. Wie in einem Edgar-Wallace-Film. Wie passend.
Als Katharina den Restaurantpavillon betrat, fiel ihr auf, dass die Tische erneut umgeräumt worden waren. Der Tisch, an dem Norrisch gesessen hatte, zumeist allein, verschmitzt vor sich hin lächelnd, war verschwunden. Dort stand jetzt ein größerer Gruppentisch, an dem die beiden älteren Ehepaare saßen, zusammen mit dem Studienrat, der diesmal aber keine Vorträge hielt. Überhaupt waren die Gäste schweigsam oder tuschelten nur leise. Der Regen, die dramatische Rettungsaktion mit Helikopter: All das hatte seine Spuren hinterlassen und die Gäste hatten wohl begriffen, wie ernst ihre Lage war.
Katharina hatte sich gerade an den Tisch gesetzt, an dem auch Javier, Andreas Amendt und Sandra Herbst saßen, als Stefan Döring gut gelaunt das Podest betrat und um Ruhe bat.
»Es gibt gute Nachrichten«, verkündete er. »Morgen Nachmittag wird im Bundestag über den Einsatz abgestimmt. Die Bundesregierung hat sich mit Tansania auf einen guten Kompromiss geeinigt. Jetzt ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis wir wieder eine Brücke haben. Und ich war selbst bei den Pionieren. Daher kann ich Ihnen versichern: Wir können das. Und zwar schnell.«
Ob dieser Nachricht brach sich plötzlich Erleichterung im Restaurantpavillon Bann: Die Gäste begannen, frenetisch zu klatschen.
Stolz kam Stefan Döring an Katharinas Tisch, doch dann wurde sein Ton plötzlich ernst: »Doktor Amendt? Der Schiffsarzt der Brachnitz bittet Sie, mit ihm zu telefonieren. Folgen Sie mir kurz in mein Büro?«
Katharina hatte wirklich Hunger gehabt. Kein Wunder, sie hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen. Und Augustin war ein sehr guter Koch. So hatte sie vor lauter Essen zunächst gar nicht bemerkt, dass Andreas Amendt nicht an den Tisch zurückgekehrt war. Wo steckte er?
Sie fand ihn auf der Hälfte des Weges zu seinem Bungalow auf einem Felsbrocken sitzend. Er hatte geweint, doch als er sie kommen sah, wischte er sich trotzig das Gesicht ab. Katharina setzte sich neben ihn.
»Norrisch hat es nicht geschafft. Die Leber war völlig zerstört«, sagte Andreas Amendt endlich.
Katharina hatte es sich bereits gedacht, als sie Amendt dort sitzen sah. Sie musste ein paar Mal tief durchatmen, um nicht selbst zu weinen.
»Ich hasse es, Patienten zu verlieren.«
»Ich weiß, Doktor Amendt. Ich weiß.«
Flip, Flop And Fly
Vor Sonnenaufgang vom üblichen Albtraum aufwachen. Sport. Duschen. Frühstück. Nur ein Detail hatte sich in dieser Routine verändert. In Katharinas Albtraum war es nicht mehr Andreas Amendt, der schoss. Es war die gesichtslose Gestalt mit Kapuze, die sie früher immer vor sich gesehen hatte. Wollte ihr der Traum etwas sagen? Hatte sie etwas übersehen? Einen Hinweis?
Katharina saß allein im Restaurantpavillon und grübelte. Andreas Amendt und Sandra Herbst waren direkt nach dem Frühstück losgezogen, um die Gäste zu »untersuchen«. Hoffentlich fanden sie etwas heraus. Norrischs Tod sollte nicht ungesühnt bleiben. Es war so unfair, dass ausgerechnet der liebe, alte Arzt, der sich so sehr ein Abenteuer gewünscht hatte, zum Opfer eines Mordanschlags geworden war. Aber warum? Hatte jemand die Gelegenheit genutzt, um eine alte Rechnung zu begleichen? Waren die anderen Toten auch ermordet worden? Oder steckte hinter dem Ganzen ein völlig anderer Masterplan?
Katharina kam sich hilf- und nutzlos vor. Doch als Augustin zufällig an ihrem Tisch vorüberkam, hatte sie eine Idee: Sie würde noch einmal in die Schmugglerhöhlen hinabsteigen.
Diesmal nahmen sie den Weg über Poseidons Schnorchel. Javier hatte sich ihnen angeschlossen. Er wollte so Pfarrer »Gott zum Gruße«-Giesler entkommen, der ihm bei aller Liebe zur Ökumene mit seinem ständigen »Verehrter Bruder im Glauben«-Gerede mächtig auf den Geist ging.
Augustin führte sie durch die langen Tunnel, durch den unterirdischen Hafen, in die alten Lager und Sklavenkerker. Katharina konnte ihn überzeugen, sie auch in einige Gänge zu führen, die er für nicht sicher hielt. Doch nirgendwo eine Spur. Es wäre ja auch zu schön gewesen, um die Ecke eines Ganges zu biegen und plötzlich im geheimen Hauptquartier des Ober-Bösewichts zu stehen, bereit
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