African Boogie
Ausflug hatten sich Katharina und Javier wieder in den Restaurantpavillon gesetzt. Augustin hatte ihnen Kaffee gebracht.
Javier war die ganze Zeit sehr schweigsam gewesen. Plötzlich sah er auf: »Darf ich Ihnen eine persönliche Frage stellen?«
»Nur zu.«
»Mir ist aufgefallen, dass Sie mit Doktor Amendt so eine Art Waffenstillstand geschlossen haben. Und –«
Katharina unterbrach ihn: »Er ist nun mal einer der besten Gerichtsmediziner, die ich kenne. Und momentan …«
»Sie haben Zweifel? An seiner Schuld, meine ich?«
»Nicht direkt.« Der Priester war ohnehin eingeweiht, also berichtete sie ihm von Amendts Theorie der multiplen Persönlichkeit.
»Tja, in der Kirche nannten wir so etwas früher ›vom Dämon besessen‹«, sagte Javier nachdenklich, nachdem sie geendet hatte.
»Und?«
»Eine bequeme, einfache Erklärung für Vorgänge, die meistens sehr viel komplizierter sind.«
»Sie meinen doch nicht, dass Doktor Amendt das als Ausrede benutzt?«
»Um Gottes willen, nein. Ich bin davon überzeugt, dass er glaubt, was er sagt. Dazu leidet er zu sehr. – Ach ja, wenn Sie einen Einfluss auf ihn haben: Mir ist nicht entgangen, dass er Medikamente nimmt. Viele Medikamente.«
»Sie meinen, er ist süchtig?«
»Auf jeden Fall ist er auf dem Weg dahin. – Wenn Sie also Einfluss auf ihn haben …« Er hielt kurz inne. »Aber, um auf das Thema zurückzukommen: Ich bezweifele, dass das, was Doktor Amendt glaubt, die ganze Wahrheit ist. Und ich meine wahrzunehmen, dass es Ihnen genauso geht.«
Katharina musste zugeben, dass tatsächlich Zweifel an ihr nagten. »Und was wäre die Wahrheit? Ihrer Meinung nach?«
»Ich weiß es nicht. – Aber ich werde dafür beten.«
Sie tranken ihren Kaffee, ohne zu reden. Plötzlich sah Javier erneut auf: »Ach, entschuldigen Sie, dass ich wieder frage, aber ich habe meine Erfahrungen mit Felipe de Vega. Sie haben mir noch gar nicht erzählt, warum er einen Killer auf Sie angesetzt hat.«
Also gut. Katharina wollte ansetzen, Javier die Geschichte zu erzählen. Doch in diesem Augenblick kehrten Sandra Herbst und Andreas Amendt von ihrer medizinischen Expedition zurück und setzten sich schwungvoll zu ihnen an den Tisch.
»Das ist wirklich eine illustre Gesellschaft, die wir da haben«, begann Sandra Herbst ihren Bericht. »Man bekommt echt den Eindruck, die hat jemand speziell zusammengestellt, damit die sich maximal auf die Nerven gehen.«
»Und?«, fragte Katharina drängend. »Irgendetwas wegen Doktor Norrisch herausgefunden?«
»Nein. Den kennt angeblich niemand. Nur dieser Krimifan, Kristina Bergthaler, meinte, sie sei mal an seiner Praxis vorbeigelaufen. Ist aber nicht weiter verwunderlich. Die liegt in der Frankfurter Goethestraße.«
Nobel, nobel. Edelboutiquen, Designer-Läden und ein paar Arztpraxen. Ziemlich frequentiertes Pflaster in Frankfurt.
»Aber es gibt ein paar andere Verbindungen«, übernahm Andreas Amendt das Wort. »Zum Teil kennen sich die Gäste untereinander. Natürlich die Bronskis und dieser Dirk-Marjan Jakutzki. Die sind sich in herzlicher Feindschaft verbunden. Dieser Halbfranzose und der Unternehmensberater, der immer mit dem Juwelen-Weihnachtsbaum zusammensteckt, sollen diesem Charlie Buchmann seine Firma abschwatzen. Irgendwas mit IT.«
Sandra Herbst erzählte weiter: »Diese Jack-ooo, die Kompanie-Matratze, hat wiederum mal Werbung für Buchmann gemacht, in grauer Vorzeit. Ist übrigens sogar studierte Architektin.«
Noch eine, die sich mit Statik auskennt, dachte Katharina. Aber »Spreng mich, spreng mich, ich bin die Brücke«? Wohl kaum.
Sandra Herbst lehnte sich amüsiert zu Katharina vor. »Die muss sich mit ihrem Gepäck zu Tode geschleppt haben. Sie hat einen Sybian dabei.«
»Einen was?«, fragten Andreas Amendt und Javier gleichzeitig.
Katharina wollte es erklären, doch Sandra Herbst trat sie unter dem Tisch gegen das Schienbein. Daher sagte sie abwimmelnd: »So ein Frauending.«
Sandra Herbst fuhr mit ihrem Bericht fort: »Dieser Pfarrer Giesler hat unseren ersten Toten konfirmiert. Jens Mandeibel. Singt sein Loblied. Und mit diesem Mandeibel ist auch unser pöbelnder Halbfranzose in die Schule gegangen. Jean-Luc.«
Andreas Amendt übernahm wieder: »Darissa von Heuth und diese Manuela haben zusammen studiert. Darissa kennt niemanden sonst. Aber diese Manuela meint, dass sie die Jack-ooo mal bei einem Projekt an der Städelschule getroffen hat. Und sie glaubt auch, dass Claudia Weisz im gleichen
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