Afrika, Meine Passion
die Sicht nach innen versperrt. Nach wie vor gilt die Tradition, dass die Krieger nicht von den Frauen gesehen werden dürfen, wenn sie Nahrung oder Chai zu sich nehmen. Gerade möchte ich hinter dem Chief ins Teehaus treten, als ich darin fünf bewaffnete Wildhüter sehe, die sich zu einem Meeting versammelt haben. Erschrocken trete ich zurück und folge daraufhin dem Chief in sein bescheidenes Privathaus. Ich setze mich auf einen Stuhl. Während er mir Tee aus einer Thermoskanne anbietet, betreten Klaus und Albert ebenfalls den Raum. Der Chief bedankt sich nun, dass wir so viel Geld für die Mission gespendet haben, wodurch auch hier viele Kinder zur Schule gehen können. Zwei seiner Söhne seien dank dieses Geldes in der Lage zu studieren und darüber sei er sehr glücklich. Ich bin erstaunt und gerührt über diese Worte. Ich wusste bisher nicht, dass sogar bis hierher die Menschen von meiner Geschichte profitieren können. Immerhin sind wir noch knapp zwei Fahrstunden von Barsaloi entfernt.
Nach einer halben Stunde brechen wir wieder auf, denn ich möchte endlich Mama sehen. Als ich zum Wagen gehe, bemerke ich, wie meine Tochter versucht, sich mit ein paar traditionell gekleideten Frauen zu unterhalten, sie fotografiert und ihnen anschließend das Foto zeigt, was wiederum Begeisterung auslöst. Ich bin froh, dass sie offensichtlich keine Berührungsängste hat. Wir fahren los und die Frauen winken uns hinterher.
Kurz vor dem großen Barsaloi River dreht sich Lketinga zu uns um und ruft mit freudigem Gesichtsausdruck: »Napirai, Napirai, my child, this is my home! Das ist mein Zuhause. Ich werde dir alles zeigen. Yes, I will show you everything!« Der Wagen durchfährt das breite sandige Flussbett und klettert langsam die letzte Böschung hinauf. Von Weitem sieht man als Erstes die Mission und dann die vielen Holzhäuser, dazwischen einzelne Manyattas, die von Dornengestrüpp umgeben sind. Wir parken unter demselben Baum, bei dem ich bei meinem letzten Besuch Lketinga nach 14 Jahren zum ersten Mal seit meiner Flucht begrüßt und umarmt habe, was für mich nicht ohne Tränen möglich war.
Während mir diese Erinnerungen durch den Kopf gehen, steigt er aus und öffnet seinen Töchtern die Wagentür. Sofort sind wir umringt von vielen Kindern, die vor allem Napirai umlagern. Erst allmählich kommen die Erwachsenen näher, und die eine oder andere Samburu-Frau kommt auf mich zu und ruft: »Mama Napirai, supa, serian a ge? Hallo, wie geht es dir?« Einige schütteln mir die Hände so lange und kräftig, dass mir fast der Arm abfällt. Andere Frauen beginnen, als Willkommensgruß mit ihrem Halsschmuck zu rascheln und strecken auch meiner verwunderten Tochter die Hand entgegen. Sie hört von allen Seiten: »Supa, serian a ge, garai? Hallo, geht es dir gut, mein Kind?« Napirai erwidert die Begrüßung verlegen lächelnd und schaut mit einem fragenden Blick zu mir, da sie natürlich nichts versteht.
NAPIRAI Endlich machen wir uns auf den Weg nach Barsaloi! Ich bin froh, dass Shankayon mit uns kommt, irgendwie beruhigt sie mich. Ich hätte allerdings nicht gedacht, dass die Fahrt so anstrengend wird. Immer wieder muss ich mich zusammenreißen, um mich wach zu halten, denn keinesfalls will ich schlafend in Barsaloi ankommen. Je näher wir auf der langen Fahrt unserem Ziel kommen, desto mehr freut sich meine Mutter und erzählt mir ständig Geschichten, die sie erlebt hat, und deutet dann mit dem Finger auf die Orte des damaligen Geschehens.
Schon kurz vor unserer Ankunft in Barsaloi kann ich die Stimmen der Leute und das Kindergeschrei hören. Jetzt bin ich doch wieder nervös. Wie werden die Leute wohl auf mich reagieren? Ich hoffe einfach, dass alles gut verläuft, als wir mit dem Auto auf den Dorfplatz fahren.
Viele Frauen und Kinder stehen bereit und warten auf uns. Nachdem wir ausgestiegen sind, stürzen sich alle erst einmal auf meine Mutter und können es nicht glauben, dass sie da ist. Jeder hier kann sich an sie erinnern. Das ist unglaublich, denke ich. Dann wollen alle natürlich auch mich begrüßen und ich schüttle eine Hand nach der anderen. Ich finde es schön, dass diese vielen mir unbekannten Menschen sich freuen und so gerührt sind, nur weil sie uns sehen, allerdings fühle ich mich auch etwas verlegen.
Was mir sofort gefällt, sind die vielen Kinder im Dorf. Sie kommen auf uns zugerannt und lachen fröhlich. Es dauert nicht lange, und schon habe ich an jeder Hand einen kleinen Jungen oder ein
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