Afrika, Meine Passion
Fleischstücken. Alle anderen langen kräftiger zu als wir vier Europäer, da für uns das frisch geschlachtete Fleisch eher zäh ist. Ich rette unsere Ehre, indem ich zwei Mal schöpfe. Martin, unser Fahrer, fragt nach dem Essen, wie wir diese Familie hier in Barsaloi kennengelernt haben. Alle lachen. Und dann beginne ich die Geschichte der Weißen Massai zu erzählen, während James hin und wieder Erläuterungen hinzufügt. Lketinga schaut ernst in die Runde und hört aufmerksam zu. Nur ab und an lächelt er oder bestätigt mit einem einfachen »Yes«. Die Fahrer hören mit ungläubigem Staunen zu. Sie dachten, wir hätten eine Privatsafari ins Samburu-Land gebucht und würden lediglich eine uns bekannte Familie besuchen. Dass Lketinga einmal mein Ehemann war und ich mehrere Jahre hier in der Abgeschiedenheit gelebt habe, können sie kaum begreifen. Sie hatten vermutet, Klaus und ich seien ein Paar, Napirai sei adoptiert und habe hier ihren Vater gefunden und Albert sei wohl der Schwiegervater. Alle lachen herzlich über dieses Missverständnis. Es dauert eine Weile, bis ich unsere Geschichte erzählt habe. Allerdings lasse ich die schwierigsten Zeiten weg, um die heitere Stimmung nicht zu trüben.
Langsam wird es Zeit, ins Camp zurückzugehen, denn es war ein langer, anstrengender und emotionsreicher Tag. Lketinga begleitet uns selbstverständlich bis zum Missionstor.
Kurz darauf liege ich im Bett und lausche dem entfernten Stimmengemurmel der Menschen, die in ihren Manyattas leben. Eigentlich kann jeder Nachbar mithören, was gerade gesprochen wird. Ich vernehme die Stimmen lachender Kinder, die einander noch etwas erzählen. Dazwischen bimmeln Ziegenglöckchen, später bellt ein Hund. Napirai bekommt davon nicht mehr viel mit, denn sie schläft schon tief und fest. Ich frage mich, wie sie wohl diesen Tag empfunden hat. Zumindest scheinen all die Aufregungen sie nicht an einem gesunden Schlaf zu hindern. In Gedanken bete ich und danke für das gelungene, herzliche Wiedersehen und vor allem dafür, dass Mama trotz ihres hohen Alters noch mit voller Lebensfreude dabei ist.
A m nächsten Tag wollen wir gerade durch Barsaloi spazieren, als ein Auto heranbraust und abrupt abbremst. Mit einem freudigen Grinsen steigt Pater Giuliani aus. Wie vor zwanzig Jahren trägt er kurze Hosen, ein gestreiftes T-Shirt und seine legendären Flipflops. Sofort redet er auf Italienisch los, während er mich umarmt und Albert wie einen alten, lange vermissten Freund begrüßt. Sofort fragt er nach Napirai, die aber noch immer ihren Erschöpfungsschlaf genießt. Kaum angekommen, macht er den Vorschlag, im fast ausgetrockneten Barsaloi River an einer schönen Stelle zu picknicken. Er hat drei Gäste aus Italien mitgebracht, die ihn mit italienischen Köstlichkeiten versorgt haben. Lketinga und James sind einverstanden, allerdings wollen auch sie etwas zum Lunch beisteuern. Stefania kocht zwei Töpfe voll Reis und Ziegenfleisch in einer leckeren Sauce und backt mindestens zwanzig Chapatis. In der Zwischenzeit trinken wir in der Mission Kaffee und warten auf Napirai. Als sie auftaucht und Giuliani begrüßt, strahlt er sie an und erzählt wortreich, was ihre Mutter hier alles durchgemacht hat und dass sie übrigens bereits als kleines Baby ab und zu bei ihm zu Besuch war. Über die temperamentvolle, sprudelnde Art des Paters lacht meine Tochter etwas verlegen. Er ist quirlig und voller Energie wie damals, obwohl er nun schon über siebzig Jahre alt ist.
Die Vorbereitungen sind beendet und wir können losfahren. Stefania hat das Essen in verschiedene Töpfe gepackt, die mit Sorgfalt verstaut werden müssen, damit bei der Fahrt im Flussbett nicht alles verschüttet wird. Napirais kleiner Halbbruder Lodunu möchte unbedingt mit und natürlich auch der kleine Diego, James’ jüngerer Sohn. Seit wir hier sind, kleben die beiden an Napirai und vergöttern sie. Die vielen Kinder, die sie ständig belagern, scheinen ihr den ungezwungenen Zugang zu ihrer afrikanischen Familie sehr zu erleichtern.
Wir fahren schon eine Weile im trockenen Flussbett, als James fragt, wo wir denn hinwollen. Keiner weiß das so genau, außer Lketinga, der vorne neben dem Fahrer sitzt. Mit seiner dunklen Stimme sagt er kurz »I know, go, go!« und zeigt geradeaus. Im Flussbett ist immer Betrieb. Einige Frauen und vereinzelt auch Kinder graben im trockenen Sand Wasserlöcher. Dann schöpfen sie geduldig mit einer Tasse das kostbare, durch den Sand gefilterte Nass ab
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