Afrika, Meine Passion
und füllen damit ihre Kanister. Mehrmals begegnen wir großen Ziegenherden, die von Kindern zum Flussbett getrieben werden. Sobald die meist weißen Ziegen das Wasser riechen, ist kein Halten mehr und sie rennen von allen Seiten laut meckernd darauf zu. Wie die Kinder anschließend ihre Tiere wieder auseinanderhalten können, ist mir nach wie vor ein Rätsel.
Das Ufer ist von saftigen grünen Akazien umsäumt, und man kann an ihnen erkennen, dass es im letzten Monat geregnet hat. Wir fahren und fahren, und allmählich fragt sich jeder, wohin uns Lketinga wohl führen möchte. Das Flussbett schlängelt sich breit und wild durch die Landschaft. Mal passieren wir steinige Abschnitte, mal leuchtet am Ufer ein einzelner rot blühender Strauch. Manchmal flüchten Affen mit Geschrei in die Bäume, und Kamele bringen sich vor unseren Autos in Sicherheit, indem sie mit ihrem ganz eigenen, lustig schaukelnden Gang davoneilen.
Plötzlich, mitten im Nichts, zeigt Lketinga auf einen großen Baum am Ufer und gibt zu verstehen, dass wir angekommen sind. Na ja, es ist schön hier, aber nicht gerade umwerfend, denke ich. Er öffnet die Wagentür und fordert Napirai und mich auf, mitzukommen. »Come, come, only one minute!« Er nimmt mich bei der Hand und zieht mich durch das Gestrüpp eine leichte Anhöhe hinauf. Jetzt verschlägt es mir fast die Sprache. Wir stehen vor einem kleinen See! Ungläubig schaue ich Lketinga an. Lachend sagt er: »Yes, I know everything here.« Inzwischen sind die anderen angekommen und ebenfalls überrascht. Sogar Giuliani, der seit über vierzig Jahren in dieser Gegend lebt, kennt den kleinen See nicht, auch James nicht. »Yes, ich weiß, diesen See kennen nur Menschen, die täglich mit den Tieren unterwegs sind und bis hierher laufen. Jungen, die nur die Schule besucht haben, wissen nichts von ihrem Land«, bemerkt er leicht spöttisch in Richtung seines Bruders. Auch mit mir ist Lketinga nie hier gewesen. Der kleine See leuchtet in der Sonne. Am gegenüberliegenden Ufer waschen zwei nackte Krieger sich selbst und ihre Kangas. Es ist ein nahezu biblisches Bild.
Die Töpfe mit Essen werden auf einer flachen Baumwurzel abgestellt. Giuliani schleppt einen Klapptisch sowie klappbare Stühle an und präsentiert uns dann Bananen, Papayas und Mangos aus eigenem Anbau. Sie schmecken köstlich – so intensiv, wie man sie bei uns im Supermarkt nie bekommt. Dazu gibt es Salami, Schinken, Käse, Weißbrot und natürlich Stefanias Essen, das hervorragend schmeckt. Von derlei Köstlichkeiten konnte ich zu meiner Zeit hier nur träumen.
Die beiden kleinen Jungen klettern wie Äffchen auf den Bäumen herum. In der Schweiz würde man Zwei- bis Dreijährige ständig zur Vorsicht mahnen und sie kaum allein die Baumstämme hochkrabbeln lassen. Besonders Lketingas kleiner Sohn Lodunu ist unglaublich geschickt, wild und außergewöhnlich hübsch. Seinen Hals zieren drei Glasperlenkettchen, an denen einige Tierzähne befestigt sind. Sein kleiner Bauch ist mit eingeritzten Narben verziert. Er ist mächtig eingebildet darauf, und der nicht weniger stolze Vater erklärt: »Er wollte es unbedingt haben und hat dabei nicht geweint, obwohl Blut geflossen ist. Er wird einmal ein mutiger Krieger.« Mit diesen Worten zieht er ihn liebevoll zu sich heran. Auch Napirai möchte er neben sich sitzen haben. Er dirigiert alles sehr ruhig und sanft. Ich beobachte, wie er ihr ein Blättchen aus den Haaren fischt. Es wirkt vertraut und selbstverständlich, dabei sind wir erst gestern angekommen.
Die Köstlichkeiten schwinden und Pater Giuliani plaudert lebhaft von früher. Als sich zwei ältere Männer nähern und neugierig und sicherlich hungrig auf unsere Teller schauen, steht Lketinga auf, bringt ihnen etwas zu essen und unterhält sich kurz mit ihnen. Danach sucht er wieder die Nähe seiner Tochter und zwischendurch sehe ich die beiden sogar herzlich lachen, während ihr kleiner Halbbruder auf ihrem Schoß sitzt.
Giuliani hat sichtlich Spaß an unserem Besuch und erzählt und scherzt angeregt mit Albert. Dabei erinnern sich die beiden gerne an unseren letzten Besuch in Sererit. Die Zeit vergeht viel zu schnell, und wir müssen allmählich den Rückweg antreten, da Giuliani mit seinen Gästen eine weite Strecke vor sich hat. Auch möchte ich unbedingt bald bei Mama sein, denn sie wird sich wundern, warum wir noch nicht zum Chai gekommen sind. Zudem warten die mitgebrachten Geschenke auf ihre Empfänger, denn außer den Lebensmitteln
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