Afrika, Meine Passion
was sie genau sagen. Er übersetzt: »Sie fragen dich, welchem von diesen Männern du deine Tochter zur Frau geben willst.« Mir weicht das Blut aus dem Gesicht und mit klopfendem Herzen sage ich »Apana – nein, niemals« und schüttle heftig den Kopf. Daraufhin sagt einer der Alten: »Aber du weißt schon, dass wir ein Recht auf deine Tochter hätten? Sie ist ein Samburu-Kind und gehört eigentlich uns.« Gleichzeitig fixiert er mich eindringlich mit seinem Blick. Ich schaue Hilfe suchend zu James und erkläre, dass ich nur dieses Mädchen habe, das in einer anderen Welt aufgewachsen ist und deshalb nicht hierbleiben kann. Bange Sekunden verstreichen, und während James meine Antwort übersetzt, versuche ich, gelassen zu bleiben. Die Alten haben immer noch das Sagen in diesem Ort und bestimmen die wichtigsten Entscheidungen. Sie diskutieren kurz, dann lachen sie und entgegnen: »Okay, Corinne, das verstehen wir. Aber bitte, vergiss uns hier in Barsaloi nicht. Wir haben nicht viel und unsere Kinder müssen zur Schule gehen, damit sie eine Zukunft haben. Vergiss das nie! Wann ist eure Abreise?«
Ich antworte, dass dies leider schon morgen sein wird, da Napirai in der Schweiz wieder zur Arbeit muss. Da erklären sie feierlich: »Ihr könnt nicht ohne unseren Segen gehen, es ist zu gefährlich. Wir werden morgen um elf Uhr kommen und die Segnung vor James’ Haus durchführen, damit ihr ohne Probleme weiterreisen könnt.« Erleichtert bedanke ich mich und eile mit James zur Mission. Mein Herz klopft weiter heftig. Meiner Tochter werde ich diesen Vorfall erst in Nairobi erzählen, geht es mir durch den Kopf.
Der Pater zeigt mir, welche Familien vom gemeinsamen Spendengeld profitieren konnten. Alles ist fein säuberlich mit Namen und Betrag aufgeschrieben und über jeden Euro wurde Buch geführt. Sie hoffen natürlich auf weitere Unterstützung. Nachdem ich einen Betrag abgegeben und weitere Hilfe zugesagt habe, kehren wir in den Kral zurück, um das letzte gemeinsame Abendessen einzunehmen, das Stefania liebevoll zubereitet hat. Etwas später sitzen wir alle gemeinsam unter dem Sternenhimmel auf dem Missionsgelände und reden etwas wehmütig darüber, dass die Zeit des Besuches schon wieder vorbei ist. Lketinga sitzt schweigend da und schaut abwechselnd Napirai und mich lange an. Gerne wüsste ich, was sich hinter seiner Stirn abspielt, doch sein dunkles, in der Nacht fast düster wirkendes Gesicht verrät nichts.
Immer mehr Leute strömen auf das Missionsgelände, vor allem viele Kinder, und setzen sich im Halbkreis vor die Haustür. Ich frage Lketinga, was da los ist. Er schüttelt den Kopf, macht eine etwas verächtliche Handbewegung und antwortet: »Cinema, I don’t know, why people like this.« Also gibt es immer noch die Vorführungen, in denen Filme auf die Hausmauer projiziert werden, erinnere ich mich amüsiert. Gegen zehn Uhr verlassen Lketinga und James das Gelände. Napirai geht ebenfalls zu Bett, und so bleiben nur Albert, Klaus und ich sowie die Fahrer übrig. Für den letzten Abend gönnen wir uns einen ordentlichen Gin Tonic, und bald hängt jeder seinen eigenen Gedanken nach. Ich persönlich frage mich, wann und unter welchen Umständen ich wohl wieder hier sitzen werde, bevor mich die Müdigkeit ins Bett treibt.
A m kommenden Tag bleibt uns nicht viel Zeit, da wir den weiten Umweg über Maralal fahren müssen, um nach Wamba zu gelangen. Der Wambafluss führt Wasser und ist unpassierbar. Zu viele haben dort schon ihr Auto verloren. Ich möchte meiner Tochter unbedingt ihren Geburtsort zeigen und sie auch durch das kleine Hospital führen, in dem ich, an Malaria erkrankt, um mein Leben gekämpft habe. Statt etwa drei Stunden dauert die Fahrt jetzt mindestens sechs Stunden.
Noch bleibt etwas Zeit, bevor die Ältesten den Segen sprechen wollen, und so führt uns James erst zu meinem ehemaligen Shop, der nun endgültig verfällt. Danach bringt er Napirai und mich zu einem seiner Freunde. Dieser bewohnt unser ehemaliges Blockhaus direkt hinter dem alten Laden. Ich erkenne Steven sofort. Er ist einer der damaligen Schuljungen, die ich in den Ferien mit dem Auto von Maralal nach Hause geholt habe. Bereitwillig zeigt Steven sein Haus, das mal meines war. Es ist schon komisch. Vor über zwanzig Jahren habe ich mit den etwa 15-jährigen Jungen in den Schulferien hier Karten gespielt. Damals waren sie Gast bei mir, und heute bin ich zu Besuch bei ihnen. Abgesehen von der Einrichtung hat sich nichts
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