Afrika Quer (German Edition)
sie wollten oder nicht. Aber sie tanzten. Auf direktem Weg zurück ins Mittelalter.
NIGER
Hausa Blues (Grenze – Niamey)
Dass in den nord-nigerianischen Landschaften viel Geld steckte, merkte ich erst durch den Kontrast mit denen im Niger. Erst als sich unmittelbar hinter der Grenze wieder ein riesiger Sandkasten mit ein paar verkrüppelten Sträuchern bis zum Horizont erstreckte, wurde mir klar, dass ich in Nigeria durch aufwendig gestaltete Räume, große hergerichtete Parks, gepflegte Gärten eigentlich, gefahren war.
Die Leute, die auf beiden Seiten der Grenze lebten, waren jedoch dieselben: Hausa. Aber die knorrigen Affenbrot-Bäume, die lieblich-geschwungen Rasenflächen drum herum und die exakt gezogenen Sorghum-Felder zwischen Kano und Gusau und vor allem zwischen Sokoto und der Grenze rochen auf einmal nach Geld.
Na gut, auch die Bäume waren manchmal in Reihen gestanden – sie waren also gepflanzt - , aber dass die ganze Landschaft durchgeplant und hergerichtet war, fiel mir erst durch den Kontrast mit dem ärmlichen Niger auf.
Und da war mehr: Die ganzen frischgewaschenen, schön gemusterten Boubous, die die Nigerianer trugen, die Autos, die elektrischen Geräte, die Satellitenschüsseln, die sich die Leute leisten konnten, die gab es im Niger nicht. So schlecht konnte es den nigerianischen Hausa also nicht gehen, hätte man denken mögen.
Trotzdem zogen sie so über den Süden ihres Landes her, empfanden sie soviel Hass auf das Bundesland Nigeria, wie ich es in keinem anderen afrikanischen Land erlebt habe.
Nur woher kam dieser Kontrast zum Niger?, fragte ich mich. Was haben die Hausas in Nigeria, was die im nördlichen Nachbarland nicht haben?
Ihr Land hat Erdöl, und über das staatliche Budget haben sie Zugriff auf die Einnahmen der Förderung aus dem Niger-Delta. Folgte daraus nicht, dass die nigerianischen Hausa ohne das Erdöl aus dem Süden ihres Landes so viel Geld zur Verfügung hätten, wie sie es im Niger haben, nämlich so gut wie keines?
Ich dachte, die nigerianischen Hausa machten sich etwas vor, wenn sie glaubten, sie seien ohne den Süden des Landes besser dran. Und diese Lebenslüge wurde nicht weniger tragisch dadurch, dass die Hausa nicht irgendeine ethnische Gruppe in Afrika sind.
Kano ist die älteste Stadt Westafrikas. Seit fast eintausend Jahren ist sie ein Knotenpunkt der Karawanenrouten südlich der Sahara. Und wahrscheinlich sind die Hausa auch die bevölkerungsreichste ethnische Gruppe des ganzen Kontinents. Fast jeder sechste Afrikaner ist Nigerianer und sogar jeder zweite Westafrikaner.
Und weil die Hausas auch die größte ethnische Gruppe innerhalb Nigerias sind, damit also die größte Chance auf die nigerianische Präsidentschaft haben, und seit der politischen Öffnung Anfang der neunziger Jahre auch eine gute auf die des Niger, dürfen sie auch als eine der politisch einflussreichsten ethnischen Gruppen in Afrika gelten.
Nur sind die Hausa im Heute angekommen?
Das fragte sich auch Aminu Aliyu Gusau, Generalsekretär der islamistischen Bewegung JTI und Herausgeber der offiziösen Zeitschrift „The Light of Islam“ in der Stadt Gusau.
Die Aktivisten der JTI - nicht die Bundespolizei - haben im Zamfara-Bundesland die Scharia durchgesetzt, sind in der Stadt Streife gelaufen und haben Verdächtige zu den Gerichten geschleppt.
Aliyu Gusau ist schon lange in der größten und wichtigsten islamistischen Organisation Nigerias aktiv und saß auch in der Blütezeit der Bewegung, in den achtziger Jahren, einige Jahre dafür im Gefängnis.
Inzwischen leitete er eine kleine Grundschule in der Stadt. Darin versuchte er die Vorbehalte der konservativen Hausa zu zerstreuen, ihre Töchter auf die Schule zu schicken. Er versprach den Eltern, sie werden ihre Mädchen unverdorben zurückbekommen und versuchte, die islamische Tradition der Hausa mit der westlichen Bildung zu versöhnen.
Er sagte: „Unsere Leute sind misstrauisch gegenüber den westlichen Schulen, und sie haben Angst vor Krankenhäusern, weil sie denken, dass es unislamisch ist, sie zu benutzen. Früher waren die Hausa sehr mächtig. Während vieler Jahrhunderte waren sie ein Händlervolk, und sie beherrschten eine riesige Region. Aber durch die britische Kolonisierung erlitten sie einen unheimlichen Schock. Sie kamen völlig durcheinander, sie verloren die Orientierung, und sie verfielen in eine tiefe Lethargie. Sie hatten keine Motivation mehr zu Entwicklung und Fortschritt, keine Dynamik mehr, voran
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