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Afrika Quer (German Edition)

Afrika Quer (German Edition)

Titel: Afrika Quer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Boehm
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hätte, wenn man eine Grenze überschreitet, nämlich die Geldwechselstuben, erreichten wir erst in Yerowe, 300 km hinter Las Anod.
    Abdinassir und ich stiegen aus, um unsere somalischen Schillinge in somaliländische umzutauschen. Von ein paar übriggebliebenen Scheinen wollten wir gerade etwas zu Trinken kaufen, als uns ein junger Mann den Weg verstellte.
    Er sah aus wie fünfzehn, maximal achtzehn, und hatte offensichtlich Khat gekaut. Es war noch früher Nachmittag, aber an seinen Mundwinkeln klebten schon die verräterischen kleinen Kügelchen grünen Pflanzenbreis. Das passiert nur, wenn man schon Stunden gekaut hat und die Muskulatur des Mundes nicht mehr richtig kontrollieren kann. Er redete auf Abdinassir ein. Nicht besonders drohend, so kam mir das vor, sondern mit gedämpfter Stimme. Durch die Bewegungen seiner Hände war mir aber schon klar, er wollte unser Geld.
    Ich hatte schon tief Luft geholt, um den Spund zusammenstauchen. Er war mindestens einen Kopf kürzer als ich, und ich war noch in dem Trott, mit dem ich in Nairobi mit solchen Unverschämtheiten umging.
    Aber dann sah ich Abdinassirs Reaktion, und die ließ mir das Blut in den Adern stocken. Mit einem verschämten Blick zu Boden, ohne einen Moment zu zögern gab er ihm das Geld, als sei er froh es endlich loszuwerden, packte mich am Arm und zog mich hastig in unseren Minibus.
    Der junge Mann nahm die wenigen Geldscheine, trottete gelassen zu ein paar Kindern vor einer Geldwechselhütte, setzte sich hin und kaute weiter Khat. Erst auf mein Drängen im Auto hat mir Abdinassir erzählt, was passiert war.
    Für den Fall, dass wir ihm unsere paar Scheine nicht gäben, hatte der junge Mann angedroht, mich mit einem Messer „abzustechen“. Auch wenn ich glaube, dass er keines hatte, musste ich Abdinassir Recht geben. Ein paar Cent waren es nicht wert, es darauf ankommen zu lassen.
    Und das hier war auch nicht Nairobi, sondern Somalia. In der nächsten Stadt, Burao, nur dreißig Kilometer weiter, war sieben Monate zuvor schon Dieter Krasemann erstochen worden, der Mitarbeiter einer deutschen Hilfsorganisation. Von einem Verrückten, so behauptete die somaliländische Regierung.
    Wir warteten noch auf unseren Fahrer. Ein Jugendlicher mit Rotz um die Nase, vielleicht zwölf oder dreizehn, postierte sich vor meinem Seitenfenster, grinste mich an und zog genüsslich seinen Finger quer über seine Kehle. Ein Messer hatte er wohl nicht. Und das Kleinkind in seinem Schlepptau richtete sein Spielzeuggewehr, so eine Art Raumschiff-Enterprise-Pistole, auf mich und drückte ab. Die Idee, einen Weißen abzumurksen, schien die Leute hier irgendwie zu faszinieren.
    Sie befanden sich damit im Einklang mit dem Rest des Landes. Das war schwer zu übersehen. Denn in Somalia ist die Erwartungshaltung an die Weißen ziemlich hoch.
    Gleich der erste Übersetzer, den mir Mohamoud Askar in Bosasso vorstellte, hatte ihr schon Rechnung tragen wollen. Er hatte schon einmal am Kap Hafun gearbeitet und schlug deshalb vor, wir sollten uns als Mitglieder einer Hilfsorganisation ausgeben. Die Fischer dort seien nämlich auf Besucher aus dem Westen nicht besonders gut zu sprechen. Wenn wir aber deutlich machten, dass wir ein Hilfsprojekt planten, in dem wir Fischer fördern wollten, würden wir wahrscheinlich gut aufgenommen.
    Schon bei einer Reise nach Somaliland im Winter 1998 hatte ich mit dieser Erwartungshaltung die erste Bekanntschaft gemacht. Der Bürgermeister von Burao führte uns durch eine frischbezogene Markthalle in seiner Stadt. Sie war ein paar Jahre zuvor im inner-somaliländischen Bürgerkrieg niedergebrannt. Die Stadt hatte den Neubau aus eigenen Mitteln, ohne fremde Hilfe finanziert. Für Afrika war das ungewöhnlich. Ich war beeindruckt. Aber auf einmal konnten wir nicht mehr weiter, weil uns eine alte Frau den Weg versperrte. Sie warf die Arme in die Luft und redete lauthals auf den Bürgermeister ein. Er kam die wenigen Schritte zurück, die wir zur Sicherheit zwischen der aufgeregten Frau und uns gelassen hatten, und berichtete mit belegter Stimme, sie habe angekündigt, die nächsten weißen Besucher mit einem Messer anzugreifen. Ein großes lag griffbereit vor ihr neben verkaufsfertigen Fleischstücken auf dem Tisch. Er habe schon so oft Weiße mitgebracht, habe die alte Frau gesagt, erklärte der Bürgermeister kleinlaut, doch nie hätten darauf die Marktfrauen Hilfe bekommen. Die Botschaft war klar: Es ist die Aufgabe der Weißen, Hilfe zu bringen. Aber

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