Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Afrika Quer (German Edition)

Afrika Quer (German Edition)

Titel: Afrika Quer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Boehm
Vom Netzwerk:
einen Blick, der vollkommenes Unverständnis ausdrückte.
    Möglicherweise habe ich bei ihm ein Missverständnis ausgelöst, als ich den Vorhang zuzog, um mich zu verstecken. Denn als wir Las Anod verlassen hatten, und ich wieder freien Ausblick haben wollte, zog er den Vorhang wieder hastig vor mein Gesicht zurück. Durch Abdinassir ließ er mir sagen, dass ich ihn noch ein paar Ortschaften zugezogen lassen soll.
    Der Fahrer glaubte wohl, nicht vor Entführungen hätte ich Angst, sondern es fehle mir das Visum. Denn Las Anod gehört ja schon zur Republik Somaliland. Tatsächlich hatte ich kein Visum für Somaliland in meinen Pass.
    Kein anderer Staat der Welt erkennt das Land an, seit es sich 1991 von Somalia unabhängig erklärt hat. Deshalb hat es auch keine diplomatische Vertretung in Nairobi, und ich hatte so nur das für Visa zuständige offiziöse Büro in Hargeisa informiert.
    Auf dem Kopf meiner Rechnung las ich wieder „Vermittlung & Logistik-Service“. Hätte mich an der Grenze jemand nach meinem Visum gefragt, hätte ich ihm einfach die Mobiltelefonnummer des neuzeitlichen Abbans in Hargeisa gegeben, und der hätte dann bestätigt, dass die Regierung von Somaliland schon auf mich wartet.
    Aber mich hat niemand gefragt. An der ersten Straßensperre nach Las Anod diskutierten unser Fahrer und ein Polizist zwar ziemlich aufgeregt. Der Ordnungshüter war langsam und schwerfällig aus einer baufällig aussehenden Holzhütte in die sengende Mittagshitze getreten. Dann mischten sich auch die anderen Passagiere ein. Aber ich wusste nicht, worum es ging. Dann wurde der Fahrer lauter. Der Polizist in der ausgewaschen-oliven Uniform auch.
    Für den Fahrer schien dann jedoch die Diskussion beendet. Er stieß wieder einmal zurück und zog durch einen kleinen Umweg in den Busch elegant an der Straßensperre vorbei. Der Polizist drohte mit den Fäusten und schrie uns hinterher. Am nächsten Schlagbaum lieferten sich der Fahrer und ein Polizist wieder dieselben Wortgefechte. Aber der Uniformierte nahm nach ein paar Minuten die Schranke hoch und ließ uns durch.
    Nun begannen die Passagiere im Auto, aufgeregt untereinander zu diskutieren. Mich hatte das Ausweichmanöver unseres Fahrers zum Schmunzeln gebracht. Ich dachte mir nichts dabei. In Somalia war es sicher nichts besonderes. Wahrscheinlich hatte der Polizist ein bisschen zu viel Handgeld verlangt, und der Fahrer wollte nicht zahlen.
    Dass man an hungrigen Polizisten besser vorbeifuhr, kannte ich aus Kenia und habe es später auch in Nigeria, auf dem Rücksitz eines Motorradtaxis, erlebt. Aber die Passagiere beruhigten sich nicht.
    Etwas unsicher geworden fragte ich dann doch Abdinassier, was denn los sei. Er sagte, der erste Polizist habe uns hinterher geschrien, er werde per Funk die nächste Polizeistation informieren. Hatte er aber wohl nicht, denn der zweite Polizist hatte uns ja durchgelassen. Oder die Polizei hatte gar keinen Funk. Aber warum waren wir denn eigentlich an der Straßensperre vorbeigefahren?
    „ Na, wegen dir!“, sagte Abdinassir. Und das erstaunte mich dann doch. Ich hatte immer noch auf einen Grenzposten gewartet, mit einem Hinweisschild, dass hier ein anderes Land beginne. Mit irgendwelchen Hoheitssymbolen und einem Gebäude vielleicht, in dem man seinen Pass vorzeigt.
    Wenn es überhaupt einen solchen Posten gab, mussten wir ihn inzwischen passiert haben. Und wenn es keinen Funk gab zwischen solchen Posten, dann brauchte ich wohl auch keine Hoffnung auf einen Anruf an ein Mobiltelefon in Hargeisa zu verschwenden.
    Nach der übernächsten Straßensperre zog der Fahrer den Vorhang vor meinem Seitenfenster zurück. Das war das Signal, dass ich jetzt wieder etwas gelöster sein konnte. Und von nun an passierten wir die Straßensperren auch wieder ohne laute Diskussionen.
    Erst in Hargeisa hat mir Abdinassir dann die ganze Geschichte erzählt. Unter den ersten Straßensperren nach Las Anod waren sowohl welche von der puntländischen als auch von der somaliländischen Polizei. Hatte ich denn nicht die verschiedenen Flaggen gesehen, die vor den Amtshütten wehten? Hatte ich, ehrlich gesagt, nicht. Vielleicht lag es an dem Vorhang vor meinen Augen.
    Das war also des Rätsels Lösung: Es gab in dieser Region zwei sich feindschaftlich gegenüberstehende, sich neutralisierende Verwaltungen. Deshalb war die Region so unsicher. Ein klarer Fall von überbesetzter Verwaltung also, nicht von unterbesetzter.
    Und auch das, was man schon lange erwartet

Weitere Kostenlose Bücher