Afrika Quer (German Edition)
direkt aus Brunnen, aus der die Hirten ihre Kamele und Ziegen tränkten.
Also setzte ich meine gesamte Hoffnung auf N’Djamena, wo es nach dem islamisch-trockenen Sudan zum ersten Mal wieder Bier geben würde - und damit ein Getränk, das in Deutschland seine Wirkung nie verfehlte: Gut gekühlter Gerstensaft mit eiskalter Zitronenlimonade gemischt.
Aber so werden Idole gestürzt. Ich gab mir abends zwei Liter davon, doch den Großen Durst wurde ich nicht los.
Natürlich habe ich auch andere Sachen ausprobiert. Die Flüssigkeit lang im Mund zu behalten zum Beispiel und sie nicht gleich hinunter zu schlucken. Aber das nützte gar nichts. Ruckzuck war das Nass so warm und fad wie mein Mund und seine erfrischende Wirkung dahin. Da war es noch besser, alles hinunter zu stürzen, solange es noch frisch war.
Dann hat mir jemand geraten: Atme nur durch die Nase. Das war wirklich sehr schlau. Ich habe es ausprobiert. Ich trank trotzdem, bis mein Magen schmerzte, aber der Große Durst war einfach nicht zu besiegen.
Ab Nigeria wurde es besser. Ab da konnte man an jeder Straßenecke eisgekühltes, in Plastiksäckchen eingeschweißtes Trinkwasser kaufen.
Und so kam ich drauf, was ich tun musste, um es mit dem Großen Durst aufzunehmen. Am Morgen, am besten gleich nach dem Aufstehen, musste ich schon ein oder zwei Säckchen mit jeweils einem halben Liter hinunterstürzen, und während des Tages immer gut nachfüllen. Wenn ich erst am Nachmittag oder am Abend, als ich mehr Zeit hatte, mit der Tränkung begann, konnte ich soviel in mich hineinlaufen lassen, wie ich wollte. Den Großen Durst wurde ich dann nicht mehr los.
Also gab ich mir morgens schon die Füllung. Bald erinnerte mich dieses morgendliche Ritual an die Einnahme einer Droge. Unmittelbar, nachdem ich sie mir verabreicht hatte, fühlte ich mich unwohl. Mein Magen hat sich von der Kälte zusammen gekrampft, mir war ein bisschen schlecht und mir lief es kalt den Rücken hinunter. Aber es musste sein. Ohne die Säckchen konnte ich nicht mehr leben. Ich war abhängig.
Im Niger und in Mali war die Hitze am schlimmsten. Die Sicherheit und die Regelmäßigkeit, mit der ich dort trinken musste, erinnerte mich bald an das Volltanken eines Autos. Wenn ich leer war, konnte ich einfach nicht mehr weiter. Und wie man den durchschnittlichen Verbrauch seines Autos kennt, konnte ich ungefähr sagen, wie viel ich nach fünfhundert Metern durch die gleißende Sonne nachfüllen musste: Ein Säckchen circa.
Dabei merkte ich gar nicht, wohin der Triebstoff verschwand. Die Luft war so heiß und trocken, dass sie den Schweiß gleich von der Haut fönte. Erst wenn ich wieder in einen kälteren Raum kam – dann aber noch lange danach -, fing er an, in Bächen an mir hinunter zu laufen.
Nie habe ich in der Zeit in den Himmel geschaut. Heute wundere ich mich darüber. Aber es gab einfach nichts zu sehen. Nie war ein Wölkchen am Himmel. Immer brannte die glühende Sonne unerbittlich auf alles und jeden.
Nur die Sandstürme verschafften uns Geplagten eine kleine Pause. Tagelang baute sich die Hitze auf, wurde immer aufdringlicher, bis man dachte, sie kaum mehr zu ertragen. Dann, meistens nach einer guten Woche, war am Morgen die Sonne vom Sand verschleiert. Der Himmel war manchmal richtig düster, das Tageslicht seit langem erstmals diffus. Und es war nicht mehr so heiß. Den Staub in den Haaren nahm ich dafür gern in Kauf.
In N’Djamena, in Timbuktu und auf den Reisen zwischen den Städten habe ich meistens draußen geschlafen. Die Mauern hatten sich während des Tages so aufgeheizt, dass man es drinnen nicht aushielt.
Dafür wurde man draußen auf dem Sand durchgebraten. Er hatte tagsüber soviel Sonne getankt, dass man sich trotz einer Bastmatte und der nächtlich kühlen Luft wie in einer riesigen, heißen Pfanne fühlte.
Es war eine schwere Zeit. Erst nach fast vier Monaten, in Dakar, wo mir die Brise des Atlantischen Ozeans ein bisschen Linderung verschaffte, war der Große Durst vorbei.
Zwischendurch, als er am schlimmsten war, und ich Schwierigkeiten hatte, nachts einzuschlafen, half mir nur ein uralter Ratschlag, den ich für solche Fälle schon als Kind bekommen hatte: Stell dir etwas Schönes vor, dann kannst du einschlafen.
Während des Großen Durstes war meine Lieblingsphantasie eine große, wirklich sehr große Flasche Mineralwasser, kurz über dem Gefrierpunkt, mit einer Spur Fruchtsaft darin und viel Kohlensäure, so dass das Getränk richtig fies auf meiner
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