Afrika Quer (German Edition)
hinunterfällt?
Ich weiß es nicht. Aber ich denke, dass Metema mit vielen Merkmalen auftrumpfen kann, die ein solcher Ort haben müsste: knöcheltiefer Sand in der Hauptstraße, die Bretterbuden an ihrem Rand, das Kino - ebenso eine zusammengenagelte Bretterbude, in dem am Abend ein uralter Actionfilm gezeigt wurde - und vor allem das Gefühl, dass es hier nicht mehr weiter geht.
Während der zwölf Stunden, die ich in Metema und Gallabat, auf der sudanischen Seite, verbrachte, sah ich kein einziges Auto die Grenze passieren. Ich sah auch keine Leute, die über die Grenze gingen. Nur ein paar äthiopische Kinder, die auf der sudanischen Seite für ein paar Cent Botengänge erledigten.
Die Bewohner der Stadt waren alle Gestrandete in einer großen Wartehalle namens Metema. Sie konnten nicht nach vorne aber auch nicht zurück. Keiner von ihnen wurde hier geboren. Und niemand war freiwillig hier. Es gab keinen Grund, in Metema zu sein. Außer dass sie es in Aksum, Shire oder Gondar nicht geschafft hatten, dass sie dort nicht überleben konnten. Deshalb waren sie hierher gespült worden.
In Metema wohnte ich im besten Hotel der Stadt. Das versicherte mir ein Jugendlicher, der mir beim Geldwechseln half. Mein Zimmer war ein völlig kahler Schuppen, mein einziges Möbelstück ein rostiges Bett und der Fußboden die nackte Erde.
Nachdem ich mich hingelegt hatte, juckte es mich am ganzen Körper, als ob ich mich auf eine Häutung vorbereitete. Allerdings hätte ich sowieso nicht schlafen können. Ich war der einzige Gast. Die hässlichen, betrunkenen Prostituierten draußen meinten es sicher gut mit mir. „Vielleicht überlegt er es sich ja noch anders“, dachten sie. Bis tief in die Nacht ließen sie verzerrte Musik aus einem Radiorekorder plärren und zuckten dazu mit den Schultern. So tanzt man in Äthiopien.
Aber ich wollte nur weg. Allerdings hatte ich auch Angst vor dem, was mich im Sudan erwartete. Auf der anderen Seite würde vieles anders werden. Die äthiopisch-sudanische Grenze ist mehr als eine Grenze zwischen zwei Ländern, denn Äthiopien ist eine christliche Oase in einer islamischen Wüste. Doch in Metema bleiben konnte ich auch nicht. Gleich am nächsten Morgen zog ich los.
SUDAN
Der Große Durst (Grenze – Karthum)
Ich kann mich nicht erinnern, schon einmal durstig ins Bett gegangen zu sein. Hungrig schon. Aber durstig war mir bisher unbekannt.
Von nun an sollte mir das allerdings öfter passieren. Ab der äthiopisch-sudanischen Grenze wird die Landkarte weiß. Diese Farbe wird auf meiner Karte für die trockene, öde Steppe verwandt. In der linken unteren Ecke der Karte sieht man einen großen grünen Fleck. Das ist der Regenwald des Kongo. Im Norden gibt es viele gelb schraffierte Gebiete. Das sind die Sandwüsten der Sahara. Und Äthiopien ist braun gescheckt, weil auf meiner Karte so Berge dargestellt werden.
Aber genau ab der äthiopisch-sudanischen Grenzstadt Gallabat wird die Karte weiß. Von hier erstreckt sich eine mehr als einen Meter auf der Karte und in der Wirklichkeit fast 6.000 km breite Ebene bis zum Blau des Atlantischen Ozeans: Die Sahelzone.
Na gut, man konnte sich schon denken, dass es dort ziemlich heiß ist. In März, April und Mai oft über 45°C im Schatten. Und die Luft ist staubtrocken. Manchmal hatte ich Nasenbluten, oft wochenlang Halsschmerzen. Meine frischgewaschene, nicht ausgewrungene Hose, nach Sonnenuntergang draußen in Karthum aufgehängt, war in einer halben Stunde trocken.
Na gut, es war also ziemlich heiß. Aber niemand hatte mich vor dem Großen Durst gewarnt, der einfach nicht zu löschen war.
Ich habe alles ausprobiert. In Gedaref, im Osten Sudans, habe ich Aradep drauf gegossen. Der eisgekühlte, fast schwarze Aufguss aus den bohnenförmigen Früchten des Tamarinden-Baumes schmeckt erfrischend sauer, und am Anfang hat sich der Kellner in meinem Hotel auch noch gefreut, als ich ein paar Gläser hintereinander hinunter geschüttet habe.
Er muss gedacht haben, Mensch, dem schmeckt mein Aradep aber. Als ich jedoch nach einer Viertelstunde wiederkam, wurde er unruhig. Und bei der dritten Tränkung ein paar Minuten später bekam er sichtlich Angst und überließ einem Kollegen das Servieren.
In Karthum habe ich den Kampf mit Guavensaft und kohlensäurelosem Mineralwasser geführt. Vergebens.
Und auf dem Weg zwischen Karthum und der tschadischen Hauptstadt N’Djamena gab es nur laues Wasser aus tönernen Krügen, warme Limonade oder trübe Brühe
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