Afrika Quer (German Edition)
Zeit viel zu viele Dinge im Kopf“ – und operierte sie am nächsten Morgen. „Eine sehr unkomplizierte Sache“ - nach seinen Worten. „Zwei kleine Schnitte, zwei, drei Stiche wie bei einer kleinen Platzwunde. Und nach fünf Tagen habe ich die Fäden gezogen.“
Dazu muss man wissen, dass im Nord-Sudan die rigideste Form der Beschneidung von Frauen praktiziert wird. Nach Operation und Vernarbung im Kindesalter bleibt nur eine sehr kleine Öffnung der Vagina zurück. Am Anfang ist der Sex dadurch für Frau, aber auch für den Mann sehr, sehr schmerzhaft. Das „Verschließen“ stellt diesen Zustand wieder her.
Diese Operation ist häufig in Karthum, sagte Hassan. Viele Frauen lassen sie von einer Krankenschwester machen, die sich etwas Geld dazu verdienen will, oder sie machen es selbst mit Sekundenkleber. Entscheidend, um den Schein der Unberührtheit wieder herzustellen, ist, dass der Widerstand bei der Penetration wieder größer wird.
Als wir eines Abends in einem Café saßen, reichte mir Hassan sein Mobiltelefon. Er wollte mir seine zukünftige Frau vorstellen. „Wir machen Liebe nur mit Worten“, sagte er, nachdem ich ein paar Höflichkeiten mit ihr ausgetauscht hatte.
Die verschlossene Frau hatte er schon lange wieder vergessen. Inzwischen hatte er auf ihrer Hochzeit gegessen, getrunken, getanzt und dem Paar die besten Wünsche mit auf den Weg gegeben. „Keiner hat irgendetwas geahnt“, hat er Ahmed gutgelaunt danach erzählt. „Wie gesagt, es war eine sehr unkomplizierte Sache.“
Seltsame Expatriates II: Karl May
Danach war Karl May nicht mehr derselbe. Mit seinen massenhaft verkauften Reiseerzählungen war es vorbei. Von nun an schrieb er nur noch wolkig-nebulöse Parabeln voller metaphysischer Symbolik, die keiner kaufen wollte oder gar verstehen konnte.
Was war passiert? Was hat den armen Mann so aus der Bahn geworfen? Ganz einfach: Er hat eine Reise getan.
Eigentlich ist die Geschichte des Schriftstellers Karl May ja bekannt. Seine berühmten „Reiseerzählungen“ schrieb er zuhause am Schreibtisch in der sächsischen Kleinstadt. Reisen unternahm er nur im Kopf, auf der Landkarte oder im Baedeker. Im Wilden Westen Old Shatterhands und dem Wilden Osten Kara Ben Nemsis war er nie. Aber als 57-jähriger, als er schon berühmt war und es sich schließlich leisten konnte, unternahm er dann wirklich eine Orientreise - und erlitt prompt einen schweren Nervenzusammenbruch bzw. offenbar sogar zwei.
Auf Karl May war ich gestoßen, als ich einem Freund erzählte, dass ich durch den Sudan fahren werde. Er riet mir zu Karl Mays Trilogie über den Mahdi, und ich dachte, ja klar, die Mahdiya, das ist eine sehr interessante Periode der sudanischen Geschichte und fing an zu lesen.
Wie viele deutsche Jungen vor Harry Potter war ich ein hingebungsvoller Karl May-Leser. Meine May-Phase war kurz, aber seine Bücher mussten mich fasziniert haben. Ich verschlang die ersten sechs Bände mit Kara Ben Nemsi - Winnetou und Gesellen interessierten mich nicht -, aber bevor ich zu den nächsten Bänden in der Reihe und damit zum nächsten Kontinent, Südamerika, kommen konnte, war meine May-Phase schon wieder vorbei.
Die abgegriffenen Bücher lieh ich mir damals aus unserer Stadtbibliothek. Sie kamen mir dick vor und gehaltvoll. Ich muss in den ersten Jahren des Gymnasiums gewesen sein, elf oder zwölf Jahre alt. Nur von der Stimmung und der Handlung der Bücher und vor allem von ihrer Wirkung auf mich weiß ich überhaupt nichts mehr.
Vom Mahdi ahnte ich als junger Leser nichts, und dass Erwachsene Bücher nicht so lesen wie Kinder, ist ja nicht weiter erstaunlich. Aber als ich jetzt Karl Mays Trilogie „Im Lande des Mahdi“ las, in der wieder Kara Ben Nemsi die Hauptrolle spielt, war ich schockiert.
Für meinen heutigen Geschmack werden darin entschieden zu viele Leute ausgepeitscht. Durch die Rahmenhandlung sind diese Züchtigungen nicht gerechtfertigt. Ich konnte mich auch nicht erinnern, dass in den ersten sechs Bänden, die ich als Kind gelesen hatte, so viele dürftig verhüllte Gewaltphantasien vorkamen, und ich fragte mich deshalb, ob Karl May bei ihrer Beschreibung nicht eine - für mich verstörende - Genugtuung empfand.
Der Mahdi in Karl Mays Trilogie hat ein reales Vorbild. Wenn solche Vergleiche möglich sind, war Mohammed Ahmed der Osama Bin Laden des späten 19. Jahrhunderts. Ganz sicher war er jedoch die Nemesis des britischen Empire. Denn der damals größten Macht der westlichen Welt
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