Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Afrika Saga 02 - Feuerwind

Afrika Saga 02 - Feuerwind

Titel: Afrika Saga 02 - Feuerwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
Vom Netzwerk:
Zeit, fragen wollte sie keinen.
    Ihre Gespräche mit den Mellinghoffs beschränkten sich aufs Notwendigste.
    In der Bahn war es außerordentlich ungemütlich, jedes Metallteil strömte Kälte aus, und sie mussten in Kleinen und Hagenow lange auf den zugigen Bahnsteigen auf ihren Anschlusszug warten, weil der Schneematsch die Gleise blockiert hatte. Der eisige Wind fuhr ihr unter die Röcke und trieb ihr die Tränen in die Augen, und sie wünschte sich inbrünstig in die sommerliche Hitze Zululands.
    Es war schon Abend und stockfinster, als sie in Hamburg ankamen, und es blieben ihr knapp zwei Tage Zeit, bevor die Emilie Engel in See stechen würde.
    Der Kutscher der Mellinghoffs fuhr Maria an diesem stürmischen Morgen zum Hafen. Vorausgegangen waren zwei hektische Tage, ausgefüllt mit Packen, letzten Einkäufen für die Familie und dem fieberhaften Bemühen der Schneiderin von Elise Mellinghoff, für Maria noch ein sommerliches Kleid zu nähen, das sie in südlichen Breiten an Bord nötig haben würde. In der letzten Zeit hatte sie so abgenommen, dass ihr die mitgebrachten Kleider um den Körper schlotterten. Sie hatte vergissmeinnichtblauen Baumwollstoff gewählt. Er war billig, denn er war vom letzten Sommer übrig geblieben.
    Ihren Eltern ein Telegramm zu senden, vergaß sie. In der Aufregung dieser Tage kam es ihr überhaupt nicht in den Sinn.
    Bereits angetan mit Hut und Mantel verabschiedete sie sich von der Familie, die sich im Salon versammelt hatte, in dem jetzt, am frühen Vormittag, schon die Kerzen brannten.
    Elise Mellinghoff drückte ihr zu ihrer Überraschung ein Päckchen mit Keksen in die Hand. »Für den kleinen Hunger«, sagte sie und lächelte tatsächlich, wandte sich dann aber schnell ab.
    Maria bedankte sich und schob das Lächeln auf die Erleichterung, den ungebetenen Hausgast nun endlich los zu sein.
    Ludovig Mellinghoff redete viel und trug ihr Grüße an ›die liebe Mutten‹ auf. Auch er zeigte seine Freude über ihre Abreise deutlich. Sie biss die Zähne zusammen und ertrug, dass er ihr die Hand schüttelte, bis die Schulter schmerzte.
    Leonore und Luise bettelten ihren Vater an, Maria zum Schiff begleiten zu dürfen, bissen aber auf Granit. Maria vermutete, dass er nicht riskieren wollte, dass Mitglieder seiner Familie öffentlich mir ihr gesehen wurden. Es war ihr gleich. Die Mädchen weinten ganz ungeniert, herzten und küssten sie und nahmen ihr das feste Versprechen ab, wirklich, wirklich zu schreiben. »Afrikanische Geschichten«, verlangten sie. »Von Löwen und Elefanten und von Schwarzen Mambas. Versprich es!«
    »Ich verspreche es euch«, sagte sie und wandte sich dann Leon zu.
    Seltsam hölzern stand er vor ihr, schaute ihr mit brennend blauem Blick lange in die Augen, während er ihre Hand drückte und verstohlen streichelte. »Auf Wiedersehen«, sagte er, und dann nach einer atemlosen Pause noch einmal: »Auf Wiedersehen. Meine Liebe. Vergiss das nie. Auf Wiedersehen.« Mehr nicht.
    Mit dem magensauren Gefühl tiefster Enttäuschung zog sie ihre Hand zurück. Zumindest eine Erklärung hatte sie erwartet, gehofft, von ihm zu hören, dass dieser Augenblick in der Bibliothek auch für ihn eine besondere Bedeutung gehabt hatte. Sie zog sich ihre Handschuhe an und verließ das Haus. Draußen wickelte sie sich fester in ihren Schal. Mit gesenktem Kopf, ohne sich noch einmal umzudrehen, stieg sie in die Kutsche. Die Kutsche zog an, sie schaute auf ihre krampfhaft ineinander verschlungenen Hände, bis das Mellinghoff sehe Haus hinter den Bäumen des Parks verschwand.
    Zügig trabten die Pferde durchs matschige, herbstkalte Hamburg, und sie versuchte sich die Begeisterung ins Gedächtnis zu rufen, die sie empfunden hatte, als sie die Stadt zum ersten Mal gesehen hatte, dachte an das Vogelgezwitscher in den Baumkronen, die Junidüfte von Jasmin und Rosen, Kinder in bunten Kleidern und die langen, hellen Nächte. Aber angesichts des eiskalten Abschieds, des düster verhangenen, frühwinterlich anmutenden Himmels, der schmutzigen Schneereste am Straßenrand und der dunkel gekleideten, vermummten Menschen fiel ihr das ungemein schwer, obwohl sich jetzt tatsächlich die blasse Sonnenscheibe durch die tief hängenden Wolken kämpfte und den frühen Schnee auf dem Hafengelände mit wässrigem Silberschein überzog.
    Dieselbe Sonne schien jetzt auf Zululand, glitzerte auf der Weite des Indischen Ozeans, ging es ihr durch den Kopf, und plötzlich überwältigte sie das Verlangen nach der

Weitere Kostenlose Bücher