Afrika Saga 02 - Feuerwind
lächerlichen Drohung von dir fern zu halten?« Er packte die beiden Enden ihres Schals und zog sie zu sich heran.
»Aber, aber, Liebling, ich kann in deinem Gesicht lesen, dass du das geglaubt hast. Ein wenig mehr Vertrauen könntest du schon in deinen zukünftigen Ehemann haben, oder?«
Immer noch sprachlos sah sie ihn an. Er war vollkommen verändert. Sie hätte schwören können, dass er größer geworden war und breiter. Seine hanseatische Steifheit war verschwunden, seine vormals bedächtigen, kantigen Bewegungen waren schnell, präzise und voller Tatkraft, seine Haltung geradezu verwegen. Die größte Veränderung aber zeigte der Ausdruck seiner Augen. Alles, was sie früher nur geahnt hatte, das Lachen, die Lebenslust, diese unglaubliche Energie, diese Kraft, war an die Oberfläche gekommen.
Jetzt legte er seinen Arm um ihre Taille und zog sie von der Reling weg. »Lass uns unter Deck in den Speisesaal gehen, sonst erfrierst du mir noch.«
Jetzt kam sie zu sich, und eine Welle von zornigem Protest stieg in ihr hoch. Energisch sträubte sie sich gegen seinen Griff. »Nicht so schnell. Das musst du mir erst erklären. Du kannst mich doch nicht so kalt verabschieden, ohne ein Wort, ohne einen Hinweis, mich in dem Glauben weggehen lassen, dass ich dir nichts bedeute, und dann hier auf dem Schiff auftauchen und dich als meinen zukünftigen Ehemann bezeichnen. Für wie leichtgläubig hältst du mich eigentlich? Also, heraus damit, was soll das Ganze?«
»Könnten wir bitte trotzdem unter Deck gehen? Es ist eiskalt, und ich denke, unser Gespräch wird ein wenig dauern.«
»Nein.« Sie stemmte sich gegen ihn. »Erst will ich wissen, was los ist. Ich nehme an, du wirst mit dem Lotsen von Bord gehen. Das Lotsenschiff wird in wenigen Minuten ablegen, und wenn du mir keine Erklärung für dein Verhalten geben willst, geh bitte sofort. Adieu, Leon.«
Aber er hielt sie auf, drehte ihr Gesicht zu seinem. »Du bist meine Liebe, und ich komme mit. Wir werden zusammen nach Afrika gehen.«
Mit festem Griff steuerte er sie zu der schweren Eisentür, die ins Innere des Schiffs führte. »Meine Kabine ist ganz in der Nähe von deiner.«
Ihr fiel keine Erwiderung ein. Fassungslos ließ sie es geschehen, dass er sie durch die Tür schob, den langen Gang hinunterführte, bis er endlich vor ihrer Kabinentür anhielt, ihr den Schlüssel aus der erstarrten Hand nahm und ins Schloss steckte. Das Geräusch löste sie aus ihrer Erstarrung. Sie machte sich von ihm los. »Ich weiß nicht, was hier gespielt wird, aber ganz offensichtlich bist du verrückt geworden. Du verlangst doch wohl nicht ernsthaft, dass ich glaube, du hättest dein ganzes bisheriges Leben hinter dir gelassen, deine Familie, deine Heimat, deine Zukunft als angesehener Arzt in Hamburg, die finanzielle Sicherheit - das Geld, das dir dein Vater gegeben hat, um eine Praxis einzurichten …«
»Doch«, sagte er. »Genau das.« Er stieß die Tür auf. »Mein alter Herr hat nämlich nie festgelegt, dass die Praxis an einem bestimmten Ort sein soll. Am Nordpol, in Timbuktu, Hamburg - oder in Durban.«
Schelmisch klopfte er sich auf die vorgewölbte Brusttasche. »Ich werde mit seinem Geld eine Praxis eröffnen, das habe ich versprochen und das werde ich halten. In Durban oder in Zululand.«
»Was hat dein Vater dazu gesagt?« Als er nicht antwortete, sah sie ihn enttäuscht an. »Du hast ihm nichts gesagt? Du bist einfach gegangen? Du hättest es ihm sagen sollen, von Angesicht zu Angesicht. Das wäre mutig gewesen.« Sie wandte sich ab, blickte aus schmalen Augenschlitzen durchs Bullauge über das grau verhangene Hamburg.
Er dachte, dass sie das schönste und klarste Profil besaß, das er je bei einem Menschen wahrgenommen hatte, und wünschte, er hätte seinem Vater seine Absicht offen ins Gesicht gesagt.
»Das wirst du lernen müssen«, sagte sie. »In Afrika kannst du dich nicht verstecken. Dort wirst du bekennen müssen, wer du bist.«
»Wie meinst du das?« Er wusste genau, wie sie das meinte, wollte nur diesen dünnen Gesprächsfaden zwischen ihnen nicht reißen lassen.
Sie drehte sich zu ihm. »Lass mich dir ein Beispiel geben: Du glaubst, du bist mutig, glaubst, du hast einen kühlen Kopf. Es gibt eine Situation, in der du das unzweifelhaft herausfinden kannst.
Solltest du dich je einem heranpreschenden Nashorn gegenübersehen, brauchst du den Mut, den kühlen Kopf, stehen zu bleiben, ihm ins Gesicht zu sehen und zu warten, bis es nur dreißig Fuß von
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