Afrika Saga 02 - Feuerwind
Anblick des unfertigen Zauns Mangalisos Jungs ein. Sie machte sich auf die Suche und stöberte Sixpence, Tickey und Haypenny in der Nähe der Lagune am Rand des Küstenurwalds auf, wo sie um einen Dunghaufen herumsaßen, die blau schillernden Mistkäfer herausklaubten, sie knackten und auslutschten wie Muscheln.
»Woza, ihr drei kleinen Halunken!«, rief sie schmunzelnd, als die drei schuldbewusst aufsprangen und stramm standen. Sixpence, der Größte, zählte schon bald sechzehn Jahre. Tickey, nach dem Drei-Penny-Stück benannt, der Mittlere, war stolz, schon ein uDibi-Junge zu sein, Träger seines Vaters Lasten. Haypenny, der halbe Penny, der Umfan, der sonst die Rinder hütete, schaute sie mit großen Gazellenaugen an und schenkte ihr sein süßestes Lächeln, dessen Wirkung er genau kannte.
»Wer hat euch erlaubt, eure Arbeit zu verlassen? Kaum habt ihr ein paar Fuß von dem Zaun fertig, meint ihr, der Rest macht sich von allein!«, rief sie in gespielter Strenge.
Die Jungs kicherten, die beiden jüngeren sprangen munter wie Grashüpfer vor ihr her zum Haus, nur Sixpence wurde ernst. Catherine merkte, dass er etwas Wichtiges zu sagen hatte, blieb stehen und wartete geduldig, bis er die Worte fand.
»Nkosikazi, ich möchte nun Schilling genannt werden. Ein Sixpence ist klein, nicht viel wert, man bekommt höchstens eine Hand voll getrockneter Mopaniraupen dafür. Ich bin schon ein junger Mann, bald werde ich ein berühmter Krieger sein und Löwen für den König töten.
Ich kann nicht mehr Sixpence heißen.«
Sie lächelte erstaunt. »Das verstehe ich gut. Ich werde dich also bei deinem Zulunamen nennen. Solozi. Wäre dir das recht?«
Der Junge überlegte eine Weile. »Nein, ich möchte, dass du mich Schilling nennst. Es ist dein Name für mich. Er gehört in deinen Mund.
Solozi ist der Name, den mir mein Vater gab, als ich aus dem Bauch meiner Mutter gekrochen bin. Es ist der Name eines Zulus für einen Zulu. Du bist eine Umlungu, Nkosi. Du kannst mich nicht Solozi nennen.«
Catherine fühlte sich zurückgestoßen, und es machte sie traurig, sehr traurig sogar. Wie auch Lulamani hatte sie Sixpence auf die Welt geholfen, als seine Mutter zu schwach von den tagelangen Wehen war, ihn herauszupressen, und sie war es gewesen, die ihn bei seinem letzten Malariaanfall mit ihrem kostbaren Chinarindenpulver das Leben rettete, als er schon in jenen Dämmerschlaf zu verfallen drohte, der dem Tod vorausgeht. Es tat weh, aber sie bemühte sich, sich nichts anmerken zu lassen, fragte sich nur, ob es ihr jemals gelingen würde, diese letzte Kluft zwischen ihr und den Menschen zu überbrücken, die sie eigentlich als ihre Freunde ansah. »Nun gut, Schilling, wenn du es so möchtest, werde ich mich daran halten.«
Damit ließ sie ihn stehen, hatte vergessen, welche Aufgabe sie für ihn hatte. Erst als Tickey und Haypenny angerannt kamen, fiel ihr ein, dass auch der Hühnerstall ausgemistet werden musste. Sie beauftragte Schilling damit und ging durchs Haus in ihr Schlafzimmer, um die Betten zu machen.
Unvermittelt überfiel sie die Vorstellung, für die nächsten Wochen allein in diesem Bett liegen zu müssen, und da war dieser Schmerz wieder, dicht über ihrem Herzen, heiß wie ein Stück glühender Kohle.
Sie schalt sich eine weinerliche Trine. Was waren schon ein paar Wochen aus der Zeit eines ganzen Lebens? Sie fröstelte in der Wärme. Ob es die Stille war, die über allem zu liegen schien, seit Johann fortgeritten war? Diese Abwesenheit der täglichen Geräusche, der Begleitmusik ihres Lebens? Johann beim Waschen, laut singend, Holz hackend, mit seinen Zulus scherzend, Johann beim Essen, Johann, der ihr staubtrockene Passagen aus seinem landwirtschaftlichen Rundbrief vorlas, Johann nachts im Bett. Sie würde es ertragen.
14
Ihre Fahrt nach Hamburg war kalt und anstrengend. Sie mussten früh aufstehen, um den ersten Zug zu erreichen, und Maria entdeckte, dass es über Nacht überraschend einen verfrühten Wintereinbruch gegeben hatte. Die Graupel verwandelten sich in Schnee, der in dichten, nassen Flocken fiel, und alle jammerten darüber, wie lang und schrecklich der Winter werden würde. Maria aber streckte ihre Zunge aus und ließ den Schnee in ihrem Mund schmelzen, versuchte, sich dabei vorzustellen, wie das Land aussehen würde, wenn der Schnee es wie eine Zuckerschicht überkrusten würde. Versackte man darin, und würde er ihr in den Mund geraten, müsste sie dann ertrinken? Es beschäftigte sie einige
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