Afrika Saga 02 - Feuerwind
stellte sich in den Steigbügeln auf, war froh, dass sie darauf bestanden hatte, im Herrensitz zu reiten. Ihr Argument, dass Catherine Steinach das tat, hatte bei Nicholas den Ausschlag gegeben.
Zu Benitas Erleichterung kam Nicholas ihr eben entgegen, zu Fuß, quer durch den dornigen Busch. »Benita!« Sein Gesicht war fahl unter der tiefen Sonnenbräune, die Hand, die sein Gewehr hielt, flog. »Bleib, wo du bist!«
Sie war schon aus dem Sattel geglitten. »Um Gottes willen, Nicholas, was ist geschehen? Bist du verletzt?« Sie streckte die Hand nach ihm aus.
»Stefan Steinach«, presste er durch blutleere Lippen. »Er liegt da unten, ein Krokodil hat ihn erwischt…«
Seine Worte trafen sie wie Schläge, und sie krümmte sich zusammen. »Lebt er?« Mehr bekam sie nicht heraus.
»Noch, aber…«
Unsanft schob sie ihn zur Seite. »Bring meine Tasche mit«, schrie sie ihm über die Schulter zu und bahnte sich, wild um sich schlagend, einen Weg durchs Gestrüpp, achtete nicht darauf, dass ihr Reitkleid in Fetzen gerissen wurde und ihr Hut im Gebüsch hängen blieb, ihr Haar sich löste.
»Benita, bleib hier!«, brüllte ihr Bruder.
Aber sie erreichte schon den Rand des Buschs und rannte, so schnell sie ihre Beine trugen, auf das Ufer zu. Sie erblickte das riesige tote Krokodil in einer Blutlache, verstand sekundenlang nicht, was geschehen war. Erst dann sah sie den blutigen, länglichen Klumpen daneben, und es dauerte noch einige Augenblicke, ehe sie begriff, dass das ein Mensch war. Schwarze Flecken tanzten vor ihren Augen, sie fühlte sich plötzlich gewichtslos, und die Welt um sie herum wurde neblig. Mit letzter Kraft klammerte sie sich an einen Baumstamm, tastete in ihrer Jackentasche nach dem Riechsalz, erinnerte sich aber sogleich, dass das Fläschchen zusammen mit den Laudanumtropfen und Leinenbinden in ihrer Satteltasche steckte.
An den Baum gelehnt wartete sie, bis sich ihre Sicht wieder klärte, erst dann konnte sie sich zwingen, das blutige Menschenbündel zu ihren Füßen genauer in Augenschein zu nehmen. Lange starrte sie auf Stefan Steinach hinunter, meinte, eine winzige Atembewegung gesehen zu haben, war sich aber beileibe nicht sicher. Vorsichtig ging sie neben ihm in die Hocke und hob einen Zipfel der durchgebluteten Hose an, aber außer einem See von Blut und Fleischfetzen, die aussahen wie die, die ihr indischer Koch sonst in die Pfanne tat, konnte sie nichts erkennen. »Wir bräuchten Karbolsäure oder so etwas«, murmelte sie.
»Wozu denn das?«, fragte ihr Bruder, der beladen mit ihrer Satteltasche, herankeuchte.
»Ich habe gehört, dass man das im Krankenhaus zum Waschen der Wunden gebraucht … Es verhindert den Wundbrand.«
»Kann ich mir nicht denken, muss doch höllisch brennen. Verdünnter Essig wäre gut.« Nicholas Willington konnte seine Augen nicht von den bluttriefenden Händen seiner Schwester lassen. Soweit er sich erinnern konnte, hatte er sie noch nie mit verschmutzten Händen gesehen, geschweige denn mit blutigen. Im Gegenteil. Er hätte erwartet, dass sie schon beim Anblick des Verletzten in Ohnmacht fallen würde.
Ein Klatschen lenkte ihren Blick auf den See. Ein über zehn Fuß langes Krokodil war ins Wasser gerannt und schwamm zielstrebig auf sie zu. Benita stieß einen Schrei aus, sprang auf ihren Bruder zu, entriss ihm sein Gewehr, hob es, zielte und schoss. Das Krokodil bäumte sich hoch auf, fiel zurück, schlug mit seinem Schwanz das Wasser zu rotem Schaum. Benita schoss noch einmal und traf wieder.
Das Reptil wurde auf der Stelle von seinen Genossen in Stücke gerissen. Keuchend hielt sie ihrem Bruder das Gewehr wieder hin.
Ohne das blutige Geschehen auf dem See eines Blickes zu würdigen, kniete sie wieder neben dem Sterbenden.
Nicholas nahm es hin und konnte sie nur sprachlos anstarren. Was um alles in der Welt war mit seiner zarten Schwester geschehen?
Noch nie in ihrem Leben hatte sie ein Gewehr auch nur angefasst, geschweige denn den Hahn durchgezogen. Wo hatte sie so schießen gelernt?
Eine der Zulufrauen, die ihren Zug begleiteten, stand plötzlich neben ihnen. »Es ist Setani, Lulamanis Mann« flüsterte sie. »Die Ahnen warten auf ihn.« Sie beugte sich vor. »Sie werden nicht mehr lange warten müssen.«
Benita musterte die Schwarze mit der roten, hochgezwirbelten Frisur und dem Rindslederrock einer verheirateten Frau. »Frag sie, ob sie sich mit Heilkräutern auskennt«, wandte sie sich an ihren Bruder.
»Das hat doch keinen Sinn, er … er
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