Afrika Saga 02 - Feuerwind
Arzt in Indien hatte vor Jahrzehnten ein geheimnisvolles Gebräu gemischt, um Cholerapatienten damit zu heilen, das Rezept hatte er dann einem Londoner Apotheker überlassen, der in der Folge eine Medizin herstellte, die er unter dem Namen Chlorodyne und Paregoric herstellte. Weil es teuer war und nicht immer zu bekommen, hatte sie immer wieder versucht, die Zusammenstellung von Chlorodyne herauszubekommen.
Bisher vergeblich. Es enthielt Opium und Hanfextrakt, das wusste sie. Viele Leute, die es zu häufig nahmen, verwirrte es die Sinne, sie kamen davon nicht mehr los, lagen am Ende teilnahmslos mit glasigen Augen in einer Ecke wie die Opiumraucher in Asien, was in Stefans Fall mit Sicherheit das kleinere Übel wäre. Diese Leute waren völlig unempfindlich gegen Hunger und Schmerzen. Schmerzen schwächten, und so konnten Schmerzen töten. Das hatte sie mehr als einmal erlebt. Sie verstaute das Fläschchen und eilte in den Gemüsegarten. Dort erntete sie sämtliche Fieberkrautpflanzen, die ihr reif genug erschienen und die die Dürre einigermaßen überstanden hatten. Es blieb ihr keine Zeit, sie zu Kräuterwürfeln zu verarbeiten, aber zu Bündeln gebunden würden sie, am Sattel des Packpferdes befestigt, sicherlich gut trocknen.
»Wozu brauchst du diese Pflanzen?«, fragte Maria, die dazugekommen war. Catherine sagte es ihr, strebte dabei dem Kochhaus zu.
Sie legte die Pflanzen auf den Küchentisch, ging nach draußen, öffnete die quietschende Tür zum Lagerraum, die seit dem ersten Regen aufgequollen war. Auf einem Regal lagen zusammengefaltet mehrere Schlafdecken, Ölzeug, drei Sättel und die dazugehörigen Satteltaschen.
Sie schleppte ihren Sattel nach draußen, wischte anschließend den dünnen Schimmelpilzrasen von den großen, ledernen Taschen. In der Küche sah sie ihre Essensvorräte durch, stellte fest, dass auch da unerfreuliche Ebbe herrschte. Seufzend verstaute sie zwei Kochtöpfe, eine Dose mit Salz und eine mit Zucker in der einen Tasche. In die andere packte sie Ersatzkleidung, ihre Schlafdecke und in gewachstes Papier eingeschlagene Munition. Sie erwog, Ölzeug mitzunehmen, unterließ es aber dann. Zwar hielt das Ölzeug den Regen weitgehend ab, doch jetzt, da es täglich heißer wurde, würde sie darunter derart schwitzen, dass es einerlei war, ob sie vom Regen oder ihrer eigenen Perspiration durchnässt wurde.
Maria sah ihr entsetzt zu. Ihr dämmerte, was ihre Mutter vorhatte.
»Du willst nach Zululand reiten? Heute noch? Es ist Malariazeit in Zululand. Das ist viel zu gefährlich für dich. Dein letzter Anfall hat dich schon fast das Leben gekostet, den nächsten überlebst du nicht, das sagen alle. Warte auf Papa, bitte.«
»Ich weiß nicht, wann er hier sein wird. Das kann noch eine Ewigkeit dauern.« Sie bemühte sich, ihre Verbitterung zu verbergen. Maria vergötterte ihren Vater, ein Wort gegen ihn würde sie zu sehr verletzen. »Ich werde ihm einen Brief schreiben und erklären, was passiert ist. Er wird uns sicher sofort folgen.«
»Mama! Du kannst nicht nach Zululand reiten. Es wird dich umbringen!«
Catherine schaute ihre Tochter gequält an. »Ich muss es riskieren.
Stefan wurde von einem Krokodil angefallen, ich muss zu ihm.«
Schockiertes Schweigen senkte sich über sie. Maria wurde aschfahl. »Ein Krokodil… wie? Ist er etwa schwimmen gegangen? So blöd ist mein Bruder doch nicht!«
Catherine fiel es ungeheuer schwer, das, was sie hatte lesen müssen, laut zu wiederholen. »Man hat ihn gefesselt am Rande eines Krokodiltümpels gefunden, schwer verletzt… Offenbar hat ihn jemand niedergeschlagen und dort abgelegt. Wer es war und warum derjenige ihn nicht einfach getötet hat, weiß ich nicht.«
Maria starrte aus weit aufgerissenen Augen ins Leere. »Weiße tun so etwas nicht, das müssen …«
»Hör auf.« Catherines Ton war harscher, als sie beabsichtigte. »Hör auf, bitte. Ich kann es nicht ertragen.« Sie wollte sich nicht ausmalen, was es bedeuten würde, wenn Stefan von einem Zulu angegriffen worden war.
Ihre Tochter schien ihre Worte nicht gehört zu haben. »Was hat er ihnen getan? Das war doch ein gezielter Angriff, sie wollen uns damit etwas zu verstehen geben …«
Catherine fiel ihr ins Wort. »Wie ich sagte, ich weiß nicht, was tatsächlich vorgefallen ist. Jetzt lass uns keine Zeit mit nutzlosen Überlegungen vergeuden. Die Willingtons haben nicht genug Medikamente … Du verstehst also, warum ich sofort losreiten muss.«
»Leon und ich kommen mit!
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