Afrika Saga 02 - Feuerwind
hätte mich ihm nicht im Rausch der wilden Datura hingegeben, und die verhängnisvolle Kette der Ereignisse, die jetzt, mehr als zwei Jahrzehnte später, meine Familie so sicher zerstören werden, wie eine Bombe es täte, wäre nie in Gang gesetzt worden.
Jammer nicht, schau in die Zukunft, die Vergangenheit kannst du nicht ändern. Grandpere!
Sie straffte ihren Rücken. Natürlich hatte er Recht, doch ihre Situation jetzt schloss eine Zukunft aus, zumindest eine gemeinsame Zukunft mit Johann, mit der Familie. Ohne sie verlor ihr Leben seinen Sinn. Es war, als wäre sie schon gestorben. Auch Grandpere könnte ihr nicht mehr helfen, und sie war froh, dass sie ihm nicht mehr unter die Augen treten musste.
Einem Impuls gehorchend, hockte sie sich vor die Kammer und zog ein in Wachstuch eingeschlagenes Paket ans Licht. Behutsam schlug sie das Tuch zurück. Das Paket enthielt ihr früheres Leben, ihre Tagebücher, die sie in den ersten Jahren in Afrika geschrieben hatte, das Hochzeitskleid ihrer Mutter, das auch sie zu ihrer Hochzeit mit Johann getragen hatte. Mit dem Daumen blätterte sie durch die Bücher, stellte zufrieden fest, dass sie alle vorhanden und unversehrt waren. Ins Kleid gewickelt, fand sie dann noch einen Brief, den sie eigentlich schon seit langem vernichten wollte.
Wie heute erinnerte sie sich an ihre Gemütsverfassung, in der sie ihn geschrieben hatte. Ein Stachel des Kaffirbaums hatte sich tief in ihren Handballen gebohrt, und die Wunde hatte angefangen zu schwären. Johann versuchte mit seinem Jagdmesser, den Stachel zu entfernen, aber der drang nur noch tiefer in ihre Hand ein.
Geschwächt von einem schlimmen Malariaanfall, hatte sie schon am nächsten Tag hohes Fieber bekommen, die Wunde eiterte und faulte und vergiftete ihr Blut. Mit letzter Kraft hatte sie diesen Brief geschrieben, hatte jede Hoffnung aufgegeben, das überleben zu können.
Hochfiebrig dämmerte sie dem Tod entgegen. Der rote Strich auf ihrem Arm hatte ihre Achselhöhle erreicht. Es gab keine Rettung mehr. Ein strahlender Dezembertag zog auf, und sie wusste, dass sie an diesem Tag die Welt verlassen musste. Sie rief Johann. Er legte ihr den kleinen Stefan in den Arm und kniete sich nieder und betete leise, die zweieinhalbjährige Viktoria kletterte zu ihr aufs Bett. Plötzlich wurde Catherine gewahr, dass Mandisa an ihrem Bett stand. Keiner hatte sie kommen hören, sie stand einfach nur da und schaute aus ihren schönen, klugen Augen auf sie herunter. Mandisa, die schwarze Mutter der kleinen Viktoria, die ohne die Zulu ihre Geburt nie überlebt hätte.
In der Vergangenheit versunken, erlebte Catherine das, was dann folgte, noch einmal.
»Mandisa, salagahle, udadewethu …« Catherine streckte der Zulu eine zitternde Hand entgegen.
»Ich komme nicht, um dir eine gute Reise zu wünschen, Katheni, denn du wirst uns nicht verlassen.« Mandisas Stimme strich dunkel und samtig über ihre Haut. »Ich habe Sicelo gefragt, und er hat geantwortet. Noch haben die Ahnen kein Verlangen nach dir. Du wirst dich wieder erheben und gesund sein.« Sie wandte sich an Johann.
»Lass mich mit Katheni allein, Jontani. Ich werde dich rufen.«
Johanns Augen waren rot und trüb. »Sicelo ist seit einem halben Jahr tot«, flüsterte er. »Er kann ihr nicht mehr helfen.«
Die kleine Viktoria, ein entzückendes Kind mit dunklen Locken und blitzenden, dunkelbraunen Augen, schaute ihre schwarze Verwandte ruhig an, und Catherine war im Nachhinein, als hätte die Kleine Mandisas Gedanken gelesen. »Papa«, sagte sie mit einem herzzerreißend süßen Lächeln. »Papa, komm.« Sie rutschte vom Bett, ergriff die Hand ihres Vaters und zog.
Johann hatte ihr später berichtet, dass die Kraft, mit der seine winzige Tochter ihn aus dem Zimmer gezerrt hatte, unmöglich ihre gewesen sein konnte. »Es war, als zöge mich ein starker Mann hinaus, ich hatte dem nichts entgegenzusetzen.« Gerade konnte er noch den kleinen Stefan hochheben, und schon schloss sich die Tür hinter ihm.
Mandisa sprach unverständliche Worte, monotone, lang gezogene, dunkle, weiche Laute, die Catherine über die Haut liefen wie tausende von Ameisen. Ihr üppiger Körper wiegte sich langsam, ihr Gesang wurde atemloser, drängender, bis der Raum von einem pulsierenden Rhythmus erfüllt war. Catherine spürte, wie eine schwere Müdigkeit auf sie niederdrückte. Sie wollte etwas sagen, aber ihre Zunge gehorchte ihr nicht.
Ich sterbe, dachte sie verzweifelt, ich sterbe, ohne dass ich
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