Afrika Saga 02 - Feuerwind
abgrundtiefe Erleichterung nicht gar so offensichtlich wurde. »Aber wenn es nicht … er ist, wer ist es dann?« Nicht einmal den Namen mochte sie aussprechen.
»Ich habe nicht die geringste Ahnung«, antwortete Mila gedehnt.
Sie streifte den jungen Mann mit einem forschenden Blick. »Im ersten Moment habe ich sogar gedacht, es wäre euer Stefan. Aber der hat andere Augen, nicht diese schwarzen, die undurchsichtig sind wie Steine wie diese dort. Stefan hat fröhliche Augen.«
»Koboldaugen, wie Grandpere Jean«, murmelte Catherine und fohlte eine Sehnsucht nach ihrem Großvater, der das Zentrum ihrer Kindheit gewesen war und den sie selbst heute noch so sehr vermisste, dass es wehtat, obwohl er seit Jahrzehnten tot war.
»Außerdem hat dein Sohn nicht einmal einen Anflug von Arroganz.
Wie sollte er auch als Johanns Sohn?«
Mila schlug einen kleinen Trommelwirbel mit ihrem Fuß, beschloss, das Thema zu wechseln. Sie drückte sich einen aus feinem Stroh gefertigten Hut, der mit einem Blumenbouquet und großer Ripsschleife dekoriert war, auf die weißen Haare und drehte sich vor dem Spiegel. »Was meinst du, sollte ich mir den auch noch leisten?«
Die Wirkung ihrer Worte auf ihre Freundin bemerkte sie nicht.
Catherine stand ganz still, bemüht auch nicht mit der leisesten Regung zu verraten, wie sehr sie Milas Bemerkungen erschütterte. Der Giftschlamm aus ihrem Innersten stieg in einer dunklen Wolke an die Oberfläche und verdüsterte ihre Welt.
Es war in einer kalten Julinacht gewesen, in den frühen Morgenstunden. Es war still und dunkel, und der Mond hinter Wolken versteckt. Stefan hatte gerade das Licht der Welt erblickt und tat seinen ersten, außerordentlich kräftigen Schrei.
»Du hast einen Sohn, meine Liebe, und was für ein schöner Bursche er ist, und so kräftig dazu! Meine Güte, was können wir schon laut schreien«, sagte Cilla Jorgensen, die die letzten zwei Wochen bei ihr verbracht hatte, aber Catherine hörte sie nicht.
Ihr Sohn lag vor ihr, mit Blut und Schleim verschmiert, noch durch die Nabelschnur mit ihr verbunden, schrie und strampelte, dass es eine Freude war, und da entdeckte sie es.
Als ihr bewusst wurde, was sie sah, erwartete sie, dass sie ein Blitz treffen und auf der Stelle vernichten würde. Während Cilla Johanns Jagdmesser nachschärfte, um die Nabelschnur durchzuschneiden, und munter von den dunklen Haaren des Kleinen schwärmte, über die großen Augen, seine entzückenden Händchen und das Stupsnäschen, während Johann ihr Koseworte zuflüsterte, hörte ihre Welt auf, sich zu drehen. Johanns Liebkosungen zerflossen zu einem Brei, der sich über sie ergoss und drohte, sie zu ersticken.
»Nein«, schrie es in ihr. »Lieber Gott, nein …« Über den beiden kleinen Zehen ihres neugeborenen Sohnes hatte sie je eine weitere winzige, rosige Zehenknospe entdeckt, und ihr Lebtag würde sie diese Sekunde nicht vergessen, jenen Moment, als sie ohne jeden Zweifel wusste, wer Stefans leiblicher Vater war.
Konstantin von Bernitt.
Die Zulus hatten ihm die Schuhe ausgezogen, ehe sie ihn auf die Stange banden und wegtrugen. Dabei hatte sie im Unterbewusstsein wahrgenommen, dass Konstantin an jedem Fuß einen zusätzlichen Zeh oberhalb seiner kleinen Zehen besaß.
Da Stefan im Winter geboren worden war, fiel es nicht auf, dass sie ihn stets fest in warme Tücher wickelte. So gelang es ihr, diese Anomalie vor allen, besonders vor Johann, zu verstecken. Heimlich band sie einen Faden um jene Zehenknospen und zog ihn jeden Tag etwas fester, bis die überflüssigen Glieder vertrockneten und kurz nach der Nabelschnur abfielen. Sie vergrub die vertrockneten Gebilde weit unten am Fluss. Ihr Geheimnis verbannte sie in ihr tiefstes Inneres und machte sich daran, es mit Schichten von Vergessen und Verdrängen zu bedecken, während sie zusah, wie Stefan heranwuchs und von Tag zu Tag seinem leiblichen Vater ähnlicher wurde. Sie musste mit ansehen, wie sich in gleichem Maß Johanns Liebe zu dem Jungen steigerte. Glücklicherweise ähnelten sich die beiden Männer zumindest oberflächlich. Wie Konstantin hatte Johann dichtes, dunkles Haar, dunkle Augen und eine Haut, die leicht bräunte, sodass kein Außenstehender je Johanns Vaterschaft in Zweifel zog.
Tatsächlich schaffte sie es irgendwann einmal, nach vielen Jahren, dass sie eine geschlagene Woche nicht daran denken musste. Dann bewegte sich Stefan auf eine gewisse Art, elegant und doch kraftvoll wie ein Tänzer, lächelte dieses träge,
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