Afrika Saga 02 - Feuerwind
wurde heftig zurückgeschlagen, Staub wirbelte, Fliegen schwärmten wütend, und eine Frau mit flammend roten Haaren fegte herein. »Guten Morgen, Mädels, wie geht's uns denn so?«, rief sie, stolperte ungeschickt über einen geflochtenen Korb und fiel Mila in die Arme.
»Hoppla, Lilly«, rief Mila, fing sie auf und stellte sie vorsichtig wieder auf die Beine. »Guten Morgen, meine Liebe. Schön, dich zu sehen.« Über Lillys Kopf hinweg sah sie Catherine an und legte einen Finger auf die Lippen.
»Ups«, machte Lilly, und Catherine schaffte es gerade noch, ihr einen Stuhl unterzuschieben, ehe sie zusammensank. »Ich bitte um Entschuldigung«, sagte sie mit der betont sorgfältigen Ausspräche von Betrunkenen. »Ich bin unpässlich, und mir ist gerade ein wenig schwindelig.« Sie kicherte und bekam einen Schluckauf.
Catherine legte die gelb gestreifte Baumwolle auf den Ladentisch zurück. »Den ganzen Ballen, bitte«, orderte sie, ehe sie sich ihrer Freundin zuwandte. Sie strich Lilly die verschwitzten, roten Locken aus dem Gesicht. »Hast du Fieber? Du hast ein heißes Gesicht.«
»Iwo, ich hab mich nur zu lange mit der Cognacflasche unterhalten, und erzähl mir nicht, dass du das nicht weißt! Jeder weiß, dass Lilly, ehemals Kappenhofer, verehelichte Sinclair, eine Liebesaffäre mit ihrer Cognacflasche unterhält …« Lillys verquollenes Gesicht nahm einen grimmigen Zug an. »Anders kann ich den hochwohlgeborenen Andrew Sinclair, dem ich in einem Anfall geistiger Um… Um…«, bei dem Wort hakte ihre Zunge, »Umnachtung«, korrigierte sie, »also, dem ich in einem Anfall geistiger Umnachtung versprochen habe, bis zum Tod treu zu bleiben, nicht ertragen. Ich kann ihn einfach nicht ertragen«, wiederholte sie, dieses Mal klar verständlich.
»Es wird schlimmer mit ihr«, raunte Mila Catherine ins Ohr.
Catherine schnitten Lillys Worte und ihre todtraurige Miene mitten durchs Herz. Mila hatte Recht. Seit die süße Emma, ihre Tochter und ihr einziges Kind, verschwunden war, schien Lillys Leben sich aufzulösen. Lilly und Andrew hatten sie angebetet. Sie kam erst zehn Jahre nach der Hochzeit und war das Glück ihres Lebens und der Mörtel ihrer Ehe. In einem betrunkenen Ausbruch vor vielen Jahren hatte Lilly ihr erzählt, was an jenem herrlichen Frühlingssonntag passiert war. Danach hatten sie nie wieder darüber gesprochen.
4
Es war wunderbares Wetter gewesen, der erste ruhige Tag nach heftigen Frühlingsstürmen, und ganz Durban flanierte der Promenade entlang. Andrew schlug vor, hinunter zum Meer zu gehen. Emma liebte es, im Sand zu spielen. Lilly stimmte zu, entschuldigte sich jedoch für einige Minuten, um sich, wie sie es ausdrückte, bei einer Freundin, die auf der anderen Seite der Marine Parade wohnte, die Nase zu pudern. »Geh mit unserer Kleinen voraus an den Strand, ich komme gleich nach.«
Kurz darauf lief sie mit klappernden Absätzen und fliegenden Röcken den hölzernen Steg zu dem einfachen Holzhaus, das etwa fünfzig Yards vom Meer entfernt gebaut worden war und den Damen zum Umkleiden diente. Eine junge Frau kam ihr entgegen, klein, blond und mit Kurven ausgestattet, die Männeraugen glänzen ließen. Lilly erkannte Miss Georgina Mercer, wollte sie eben grüßen, als diese zu ihrer Verblüffung tiefrot anlief, auf den Hacken kehrtmachte und mit abgewandtem Kopf eiligst durch den Sand davon stapfte. Lilly hatte sie im selben Moment vergessen. Emma und Andrew warteten.
»Ich komme, meine Lieben!«, rief sie und raffte ihre Röcke. Es war auflaufende Flut, der Sand nass und schwer, und ihre Schuhe feuchteten schnell durch. Ein starker Wind war aufgekommen, die Brandung höher geworden. Welle auf Welle schlug auf den Strand auf, und jede zog beim Rücklauf Tonnen von Sand mit sich. Emma spielte nicht am Strand, wie sie erwartet hatte, auch Andrew konnte sie nicht sehen. Doch dann entdeckte sie ihn. Am Saum der dichten Dünenbewachsung stehend, bürstete er sich eben Sand und Graspartikel von seiner Hose. Er schien sich ausgeruht zu haben.
»Wo ist unsere Kleine?«, rief Lilly, hielt dabei ihren Hut fest, den ihr eine Bö vom Kopf zu fegen drohte.
Andrew fuhr herum. »Emma? Sie spielt doch …« Er stockte, blickte sich um. »Sie war eben noch hier …« Er machte eine vage Handbewegung auf den windgepeitschten Strand.
Ob es eine außergewöhnlich hohe Welle war, die weit auf den Strand hinaufgeschossen war, oder ob Emma im flachen Wasser von einem Leopardenhai angegriffen und in die
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