Afrika Saga 02 - Feuerwind
Erziehung oder Bildung, sondern Mut und Kraft. Ist man nicht stark, geht man unter. So ist das.«
Der Wachtmeister strich sich über seinen Schnauzbart. »Es wäre also möglich, dass einer ein Herr wird, der nicht als Herr geboren wurde?«, fragte er nach einer langen Pause.
Lächelnd nickte Maria. »Wenn Sie meinen, kann einer viel Geld machen, der von ganz unten kommt, und kann er dann in der Gesellschaft aufsteigen, so ist das wohl möglich.« Sie machte eine Handbewegung. »Zumindest noch«, sagte sie. »Wer weiß, wie es wird, wenn es bei uns vielstöckige Häuser und gepflasterte Straßen und Bürgersteige gibt«, fügte sie nach kurzem Nachdenken hinzu.
»Soso«, murmelte der Wachtmeister und klopfte mit abwesendem Blick mit der Spitze seines Stifts auf die Schreibtischoberfläche.
»Soso.« Und nach einer Weile, ganz leise und gedehnt: »Soso.« Die Spitze seines Stifts brach mit lautem Knacks, dass er zusammenzuckte. Sein Blick kehrte zu ihr zurück.
»Ich werde Sie eigenhändig zu Ihrer Unterkunft bringen, damit da nichts passiert unterwegs. Und dann, Frolleinchen«, er fuchtelte ihr mit erhobenem Zeigefinger vor dem Gesicht herum, »dann heißt's, sich benehmen. Also nie wieder dieses«, hier glitten seine kleinen, in dicken Fettpolstern liegenden Äuglein flink über ihre Figur und blieben lange an ihren graziösen Fesseln hängen, die unter den aufgekrempelten, engen Hosen des Anzugs hervorschauten, »nie wieder diese Kleidungsstücke tragen, hören Sie? Kleiden Sie sich so, wie es einer jungen Frau geziemt. Natürlich könnte es eine Anzeige geben wegen unbefugten Betretens des Universitätsgebäudes, natürlich, ohne Frage, und Sie haben Professor Schley gestoßen, wie er mir sagte.« Er schrieb langsam, wobei die Zunge zwischen seinen Lippen hervorschaute. Dann legte er den Federhalter hin und streute Sand über das Geschriebene.
»Vorläufig dürfen Sie das Universitätsgelände nicht betreten. Die Herren Professoren haben Ihnen Hausverbot ausgesprochen. Welch ein Schauspiel haben Sie den Herren aber auch geboten …«
»Ja, ja«, sagte Maria ungeduldig, musste lächeln, als sie an die Studenten dachte, die sie mit offenem Mund und krebsroten Gesichtern angestarrt hatten.
»Wo logiert die Mamsell?«, fragte jetzt der Wachtmeister.
»Momentan im Haus von Berthold Mellinghoff am Schillerplatz.«
»Bei dem Berthold Mellinghoff?«, rief der Polizist. »Dem Herrn des Handelshauses Mellinghoff? Dann ist Frollein wohl das neue Dienstmädchen oder«, hier lief sein abschätzender Blick über den Anzug, der zweifelsohne aus bestem Tuch geschnitten war, »oder vielleicht sogar die Haushälterin? Obwohl Sie mir dafür doch zu jung erscheint.«
»Mellinghoffs sind meine Familie. Meine Großmutter war eine geborene Mellinghoff.« Ein spitzbübisches Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Meine Großmutter war die Baronin le Roux.«
Im gleichen Maße, wie die Gesichtsfarbe des Wachtmeisters sich ins Lila vertiefte, versteifte sich sein Rücken. »Gnädiges Fräulein, die ganze Sache scheint ein Missverständnis zu sein. Ich werde mich darum bemühen, dass sich die Anzeige auf die eine oder andere Art erledigen wird, und persönlich mit dem Herrn Principal der Universität sprechen. Nun gestatten gnädiges Fräulein, dass ich Sie sicher nach Hause geleite.« Mit einem zackigen Diener riss er die Tür seines Dienstzimmers auf.
Maria stand auf, zog ihre Handschuhe an und setzte die kecke Kappe wieder auf. »Das wird nicht nötig sein. Den Weg finde ich auch allein.«
»Nichts da, nichts da. Ich kann Sie doch nicht in diesem Aufzug unbegleitet über die Straßen laufen lassen, und schon gar nicht am heutigen Tage. Nicht auszudenken, wenn Ihre Kaiserlichen Hoheiten einem solchen Anblick ausgesetzt werden. Wenn gnädiges Fräulein doch nur einen Mantel hätte, der das alles verbergen würde …«
Sichtlich nervös sah er sich um und nahm seinen eigenen Regenumhang vom Kleiderständer. »Hier, nehmen Sie meinen Umhang, der wird's tun, bis wir Sie zu Hause abgeliefert haben.«
»Ich trug einen, aber habe ihn irgendwo in der Universität verloren«, entgegnete sie. »Sollte ich zurückgehen und ihn suchen?«, fragte sie mit scheinheiligem Lächeln.
»Gott bewahre, keinen Schritt werden Sie wieder in dieses Gebäude tun«, rief Wachtmeister Schröder entsetzt aus und hängte ihr das schwere, aus grober Wolle gewebte Kleidungsstück um die Schultern, nahm mit festem Griff ihren Ellbogen und führte sie die
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