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Afterdark

Afterdark

Titel: Afterdark Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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eingetrichtert, dass ich zumindest etwas lernen muss, wo ich ja nicht so gut aussehe.«
    Kaoru kneift die Augen zusammen und mustert Mari. »Aber du siehst doch süß aus! Ohne Schmeichelei oder so, das meine ich ernst. Also, wenn du nicht gut aussiehst, was soll da ich erst sagen?«
    Mari bringt ein steifes Schulterzucken zustande. »Meine ältere Schwester ist außergewöhnlich hübsch - aufsehenerregend hübsch. Darum bin ich von klein an unentwegt mit ihr verglichen worden. Wie können Schwestern nur so verschieden sein?, hieß es immer. Ist ja auch etwas Wahres dran. Ich bin ein Zwerg, mein Busen ist klein, meine Haare sind struppig, mein Mund ist zu groß, außerdem bin ich kurzsichtig und habe einen Astigmatismus.«
    Kaoru lacht. »So was nennt man Persönlichkeit. Das ist normal.«
    »Aber ich kann das nicht so sehen. Seit meiner Kindheit bekomme ich gesagt, dass ich nicht gut aussehe.«
    »Und deshalb lernst du so fleißig?«
    »Ja, so ungefähr. Aber es fällt mir schwer, mit anderen zu konkurrieren. Ich bin auch nicht gut in Sport und finde keine Freunde. Und in der dritten Klasse wurde ich so gemobbt, dass ich nicht mehr zur Schule gehen konnte.«
    »Also Schulverweigerung?«
    »Die Schule war mir so unerträglich, dass ich morgens furchtbare Bauchschmerzen bekam und mein ganzes Frühstück wieder erbrochen habe.«
    »Aha. Ich hatte unsäglich schlechte Noten, bin aber trotzdem gar nicht so ungern Tag für Tag in die Schule getrabt. Wenn ich jemanden nicht leiden konnte, habe ich mich einfach mit ihm geprügelt, egal, wer es war.«
    Mari lächelt. »Es wäre gut gewesen, wenn ich das auch gekonnt hätte ... «
    »Ach was, darauf kann ich mir nichts einbilden ... Und dann?«
    »In Yokohama gibt es eine Schule für chinesische Kinder. Ein Mädchen aus unserer Nachbarschaft ging dorthin. Die Hälfte des Unterrichts findet auf Chinesisch statt, aber anders als auf der japanischen Schule brauchst du dort nicht um gute Noten zu kämpfen. Weil meine Freundin dorthin ging, wollte ich das auch. Natürlich waren meine Eltern dagegen, aber es blieb ihnen nichts anderes übrig. Auf irgendeine Schule mussten sie mich ja schicken ...«
    »Du warst ganz schön hartnäckig.«
    »Kann sein«, gibt Mari zu.
    »Und auf diese chinesische Schule durften auch japanische Kinder?«
    »Ja. Man brauchte keine besonderen Fähigkeiten.«
    »Aber damals konntest du doch gar kein Chinesisch, oder?«
    »Nein, kein bisschen. Aber ich war noch klein und habe es ziemlich schnell gelernt. Meine Freundin hat mir geholfen. Jedenfalls war die Schule sehr locker. Ich war die ganze Mittel- und Oberstufe dort. Aber aus der Sicht meiner Eltern war das nicht interessant. Von mir wurde erwartet, dass ich auf eine bekannte weiterführende Schule gehe und irgendwann so was wie Anwältin oder Ärztin würde. Verteilte Rollen oder so ... die ältere Schwester Schneewittchen und die jüngere ein Genie.«
    »Ist deine große Schwester so schön?«
    Mari nickt und nimmt einen Schluck von ihrem Perrier. »Seit der Mittelstufe modelt sie für Zeitschriften. Solche Mädchenzeitschriften, du weißt schon, für Teenager.«
    »Hm«, macht Kaoru. »Es ist sicher belastend, eine so strahlende Schwester über sich zu haben. Aber das kann doch nicht der Grund sein, dass ein Mädchen wie du sich mitten in der Nacht allein hier herumtreibt?«
    »Wie ich?«
    »Na ja, wie soll ich sagen, ein anständiges Mädchen eben.«
    »Ich wollte einfach nicht nach Hause.«
    »Hast du Krach mit deiner Familie?«
    Mari schüttelt den Kopf. »Nein, das ist es nicht. Ich wollte nur irgendwo allein sein, außerhalb von zu Hause. Bis zum Morgen.«
    »Hast du das früher schon mal gemacht?« Mari schweigt.
    »Ich will dich ja nicht nerven, aber ehrlich gesagt, dieses Viertel ist nicht gerade der richtige Ort, an dem ein anständiges Mädchen allein auf den Morgen warten sollte. Eine Menge gefährlicher Kerle treibt sich hier rum. Selbst ich hatte schon ein paar Mal Schwierigkeiten. In der Zeit zwischen der letzten und der ersten Bahn ist das hier ein anderer Ort als am Tag.«
    Mari nimmt ihre Boston-Redsocks-Kappe von der Theke und starrt eine Weile auf den Schirm. Sie denkt über etwas nach, doch schließlich verscheucht sie den Gedanken.
    »Entschuldige, aber können wir von was anderem reden?«, sagt sie in einem ruhigen, aber entschiedenen Ton. Kaoru nimmt sich ein paar Nüsse und steckt sie sich auf ein mal in den Mund. »Klar. Reden wir von was anderem.«
    Mari nimmt eine Camel

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