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Agent 6

Titel: Agent 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Rob Smith
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Spaß. Die Männer tauschten Blicke aus, um seine Bitte stumm abzuwägen. Sie wussten, dass er Polizist oder etwas Ähnliches war. Sie hassten ihn, und trotzdem konnten sie ihm die Bitte nicht abschlagen.
    Sprecht mir nach:Euer Hass schert keinen Menschen.
    Es war berauschend, diese harten Jungs völlig hilflos zu sehen, arrogante Aufschneider, die unterwürfig und gehorsam vor ihm standen wie verweichlichte Schwächlinge.
    Der Jüngste von ihnen zog Tabak hervor und drehte eine perfekte Zigarette. Er arbeitete sorgfältig, damit Yates keinen Grund hatte, sich zu ärgern. Er hatte klug erkannt, dass schon der leiseste Trotz Yates wütend machen würde. Als er fertig war, streckte er ihm die Zigarette entgegen. Yates nahm sie an, ohne seine Streichhölzer aus der Tasche zu holen.
    – Ich habe es gern, wenn mein Tabak etwas brennt, bevor ich rauche.
    Ein anderer Mann zündete ein Streichholz an und hielt es Yates ruhig vor das Gesicht. Yates senkte die Spitze der Zigarette in die Flamme und zog, dann lächelte er zum Dank.
    – So billigen Tabak habe ich lange nicht mehr geraucht. Das erinnert mich daran, wie ich als Junge angefangen habe mit dem Rauchen. Ich wünsche noch einen produktiven Tag. Genießen Sie die Sonne.
    Der Mann löschte das brennende Streichholz mit einer wütenden Handbewegung – deutlicher wagte er nicht, seine Gefühle zu zeigen. Yates nahm einen tiefen Zug und genoss den Augenblick – ein wunderbarer Moment an einem schönen, sonnigen Tag.
    *
    Das Taxi hielt an, und Elena blickte aus dem Fenster. Das musste es sein – die 145th Street. Diese Gegend war auch belebt, aber ganz anders als die 44th Street. Einige Leute wirkten geschäftig, viele drückten sich nur vor den Häusern herum. Sie machte sich Sorgen, sie könnte auffallen, eine siebzehnjährige Russin in unmodischer Kleidung, die keine Ahnung hatte von der Stadt, diesem Viertel oder seiner Kultur. Ihr blieb nicht viel Zeit, in einer guten Stunde würde man sie im Hotel vermissen. Die Gruppe sollte sich vor der Kostümprobe zum Mittagessen treffen, wenn Raisa von ihrem Vorabbesuch im UN -Gebäude zurückkam. Elena sah auf die Uhr. Die Taxifahrt hatte mehr als dreißig Minuten gedauert, länger, als sie eingeplant hatten. Wegen der Verzögerung musste sie sich beeilen, um Mr. Austin zu finden und mit ihm zu reden. Man hatte ihr gesagt, er würde jetzt zurückgezogen leben, nicht mehr auftreten, kaum die Wohnung verlassen, wäre arbeitslos und seelisch am Boden, nachdem er Repressalien ausgesetzt war.
    Der Fahrer – ein Weißer – drehte sich um und sah sie besorgt an.
    – Wollten Sie wirklich hierhin?
    Elena sprach gut Englisch, aber die Frage verwirrte sie. Sie wiederholte die Adresse.
    – West 145th Street.
    Der Fahrer nickte.
    – Das ist hier. Aber das ist nichts für ein Mädchen wie Sie.
    Elena verstand nicht. Sie fragte:
    – Wie viel?
    Der Fahrer zeigte auf den Taxameter. Sie nahm das Geld in die Hand, das Mikael ihr gegeben hatte.
    – Können Sie warten?
    – Wie lange?
    – Zwanzig Minuten.
    Der Fahrer wirkte unsicher. Als Elena ihm fünf Dollar gab, war er sichtlich zufrieden mit der Bezahlung. Offenbar war sie üppig ausgefallen.
    – Es gibt noch mehr, wenn Sie warten.
    Er nickte; bei dem Geld hatte sich seine Miene aufgehellt. Elena war angewidert von diesem Mann, der Geld so liebte, dass der Anblick eines Dollarscheins seinen Charakter veränderte.
    – Ich warte, aber nur zwanzig Minuten. Danach bin ich weg.
    Elena stieg aus und schlug die Tür zu.
    Vor dem Taxi stand ein altmodischer Holzkarren mit einem Stoffdach als Schutz vor der Sonne. Darauf türmten sich schmelzende Eisstücke, die Kanten von der Hitze geglättet. Zwischen dem Eis lagen Muscheln, manche in ihren blassen Schalen, viele ausgelöst, mit Gewürzen gekocht und zischend gebraten. Verkauft wurden sie in Tüten aus zusammengedrehtem Zeitungspapier. Auf der staubigen Straße drängten sich keine Autos, hier spielten Kinder Ball oder Hüpfspiele oder bettelten um Eisstückchen, worauf der Muschelverkäufer sie mit geballter Faust verscheuchte. Auf den ersten Blick machten die Häuser auf Elena einen netten Eindruck, sie waren nicht zu hoch und auch keine hässlichen Betonklötze wie die Plattenbauten, in denen sie wohnte. An vielen der hübschen Backsteinbauten verliefen außen Feuertreppen aus Metall. In einem Fenster hing ein Schild:
    Aufenthalt auf der Treppestreng verboten
    Elena kannte nicht alle Wörter, aber sie verstand, dass

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