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Agent 6

Titel: Agent 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Rob Smith
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Opium, seine Sucht war eine rechtschaffene Ideologie. Osip ließ die Kamera klicken und machte Bilder. Das letzte Foto wurde das verfänglichste – ihre zarte, blasse Hand auf seinem starken, schwarzen Arm und im Hintergrund zerknüllte Bettlaken.

Manhattan
Hotel Grand Metropolitan
44th Street
Am selben Tag
    Als Raisa die Lobby betrat, richteten sich zwanzig Augenpaare auf sie: amerikanische Geheimpolizisten, die sich als Gäste ausgaben, auf Sofas oder Stühlen gemütlich an ihrem Kaffee nippten und sie über die Ränder ihrer Tassen und Zeitungen beobachten. Nachdem man sie vom UN -Gebäude zum Hotel gefahren hatte, war sie nicht länger unbeobachtet, als sie vom Auto bis zur Drehtür des Grand Metropolitan brauchte. Sie rechnete fast damit, einer der Agenten würde mit in den Fahrstuhl steigen. Die Sicherheitsmaßnahmen rund um das Hotel kamen ihr übertrieben vor. So viele Agenten, nur um Schulkinder zu bewachen. Die Fahrstuhltüren schlossen sich, und Raisa sagte:
    – Neunzehnter Stock, bitte.
    Ohne sich umzudrehen, nickte der Fahrstuhlführer knapp. Raisa war überzeugt davon, dass er ein Agent war, obwohl er eine Hotellivree trug. In der eigentümlichen roten Uniform mit den weißen Biesen auf den Hosenbeinen sah er zwar nicht wie ein Spion aus, trotzdem war er ihr nicht geheuer. Sie fragte sich schon, ob ihre Nerven mit ihr durchgingen. Überall sah sie Spione.
    Sie versuchte, sich auf die Realität statt auf eingebildete Gefahren zu konzentrieren, und sagte sich, dass immerhin die Vorbereitungen für das Konzert gut gelaufen seien. Die Gespräche mit ihrem amerikanischen Pendant hatten sich nicht allzu unangenehm gestaltet. Raisas Gegenüber war eine amerikanische Lehrerin mit ordentlich frisierten grauen Haaren und einer dicken, ovalen Brille. Mit Hilfe eines Dolmetschers hatten sie viel Gesprächsstoff gefunden, nicht aus erzwungener Höflichkeit, sondern aus echter Neugierde. Raisa spürte, dass ihr Gegenüber eine unterschwellige Feindseligkeit zeigen musste, damit man sie nicht als Sympathisantin des Kommunismus verdächtigte. Hohe Sowjetfunktionäre waren bei dem Gespräch nicht anwesend. Sie hatten kein Interesse daran gezeigt, an der anstehenden Kostümprobe teilzunehmen, und sich aus den Vorbereitungen für das Konzert herausgehalten, obwohl es weltweite Aufmerksamkeit ernten würde.
    Die Türen öffneten sich, und der Fahrstuhlführer wandte sich zu ihr um.
    – Ihre Etage.
    Mit einem Nicken stieg sie aus. Sie wünschte sich, Leo wäre bei ihr. Er besaß einen untrüglichen Instinkt für Intrigen. Erst ohne ihn merkte sie, wie sehr sie sich mittlerweile auf seine Intuition verließ.
    Als Raisa zum Zimmer ihrer Töchter gehen wollte, versperrte ihr einer der Propagandaoffiziere den Weg. Es war Mikael Iwanow, ein arroganter, gutaussehender Mann und eine völlig unnötige Erweiterung ihrer Gruppe. Er fragte:
    – Wie waren die Treffen?
    Sosehr sie versucht war, ihn zu ignorieren, sagte Raisa:
    – Erfolgreich – das Konzert sollte gut laufen.
    – Wurden Sie fotografiert? Ich habe ihnen gesagt, dass es keine Fotos gibt, wenn ich nicht dabei bin.
    – Nein, wurde ich nicht. Es waren keine Reporter da.
    Er hob den Finger, um sie eifrig zu korrigieren.
    – Sie müssen sich aber auch vor angeblichen Amateurfotografen in Acht nehmen. Jemand könnte freundlich tun und sagen, er wollte einfach ein Foto für sich als Andenken machen, dabei ist das nur ein Trick.
    Warum hielt Mikael Iwanow sie mit diesen überflüssigen Fragen auf? Raisa ging weiter, bevor er noch etwas sagen konnte, erreichte das Zimmer ihrer Töchter und klopfte. Soja öffnete die Tür. Im Hintergrund lief der Fernseher. Raisa sah sich im Zimmer um.
    – Wo ist Elena?
    – Schwimmen gegangen.
    Instinktiv blickte Raisa sich um und sah, dass Mikael sie mit einem seltsam durchdringenden Blick beobachtete.

Am selben Tag
    Jim Yates betrat die Lobby und nickte seinen Kollegen zu, die sich im Raum verteilt wenig erfolgreich als Hotelgäste tarnten. Sollten die Sowjets doch wissen, dass sie beobachtet wurden; ihre Empfindlichkeiten interessierten ihn nicht. Er ging zur Rezeption und ließ sich ein aktuelles Protokoll über die Aktivitäten der russischen Delegation geben. Den Aufzeichnungen zufolge hatte nur eine Person das Gebäude verlassen, eine Frau namens Raisa Demidowa, eine Lehrerin, die man zum UN -Gebäude gebracht hatte. Sie war erst vor wenigen Minuten zurückgekommen. Yates ließ das Protokoll an der Rezeption liegen und

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