Agent der Leidenschaft
Strandhütte und beobachtete teilnahmslos, wie die Wellen in die Lagune rollten, ehe sie auf dem Strand ausliefen.
Es war schwer zu glauben, dass es schon Mitte Dezember war. In den Staaten hatte ein früher Wintersturm große Teile des Landes mit Eis und Schnee überzogen. Hier auf den Westindischen Inseln aber war immer Sommer.
Elena blickte auf ihren gebräunten Körper. Seit ein paar Wochen lebte sie nun schon hier in Shorts und Tops und trug ständig Sonnencreme auf, weil sie keinen Hautkrebs kriegen wollte. Es schien komisch zu sein, sich darüber Gedanken zu machen, dass man an Krebs sterben konnte. Immer starben Menschen, ganz egal, was sie aßen oder nicht aßen, ob sie rauchten oder Marathons liefen, ob sie trainierten oder ständig auf dem Sofa hockten.
Die Menschen starben, und Elena konnte nichts daran ändern.
Die Menschen bauten auf die moderne Medizin, die alles zum Besseren richten und alles und jedes Gesundheitsproblem lösen sollte. Alles hatte man getan, um Joe zu retten.
Aber er war einer der Schmuggler gewesen. Einer der schlechten Menschen, obwohl Elena ihn nie als solchen sehen würde. Stattdessen dachte sie lieber an ihn, wie er am Abend von Tinas Party ausgesehen hatte. Oder später am Abend, nachdem sie sich geliebt hatten und er ihr zum ersten Mal gezeigt hatte, was für eine sinnliche Frau sie war.
Sie sah ihn beim Schwimmen im Teich beim Wasserfall.
Immer, wenn sie sich ihn vorstellte, sah sie ihn gesund, nicht mit einer Schusswunde in der Brust, aus der das Blut strömte.
Sie waren nur wenige Wochen zusammen gewesen. Am Ende hatte sie, Elena, noch zu seinem Tod beigetragen. Sie würde einen Weg finden müssen, mit diesem Wissen zu leben.
Sie hatte nicht einmal ein Foto von ihm. Und sie würde nie ein Baby von ihm haben.
Elena hatte mit ihrer Mutter telefoniert, ehe sie um Beurlaubung gebeten hatte. Sara hatte ihr gesagt, dass sie zur Trauerfeier für Joe gegangen war und dass die Kirche voller Freunde und Familienangehöriger gewesen war. Eine Woche darauf hatte Joes Mutter einen Herzinfarkt bekommen und war gestorben, ehe man sie ins Krankenhaus bringen konnte.
Francisco Delgado wurde an einen unbekannten Ort gebracht und wartete in einem Hochsicherheitstrakt auf seinen Prozess.
Elena wusste, dass die Bundespolizei hoffte, er würde ihne n Informationen im Austausch gegen Straferlass geben, aber er schien Elena kein Mensch zu sein, der sich auf einen solchen Handel einließ.
Sie hatte ihre Mutter nach Tina gefragt. Es hieß, ihr ginge es nicht gut. Sie hatte sich in ihrem Haus zurückgezogen und wollte niemanden empfangen. Die Ärzte sorgten sich um sie und das Baby.
Elena hoffte, dass Tina sich schließlich doch noch um ihres ungeborenen Kindes willen zusammenreißen würde. Und sie wünschte sich, dass auch sie ein Baby hätte, dass sie halten und um das sie sich sorgen könnte - ein freudige Erinnerung an den Mann, den sie geliebt hatte.
Ihr Magen revoltierte. Sie musste etwas essen. Sie erhob sich aus ihrem Liegestuhl und wollte gerade in die Hütte gehen, als ein Mensch am Strand ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Elena beschirmte die Augen mit den Händen und blinzelte.
Es war ein Mann.
Er wirkte fehl am Platz, denn er trug eine lange dunkle Hose und ein weißes Hemd mit langen Ärmeln; das Jackett hing ihm über der Schulter. Etwas an ihm kam Elena bekannt vor.
Und dann hob er die Hand und winkte.
Elena stand bewegungslos da und sah, wie er sich der Hütte näherte.
„Schön, dich wieder zu sehen, Elena.”
„Hallo, Chris. Ich wollte gerade zum Essen reingehen. Willst du auch was?”
„Gern. Du siehst aus, als könntest du eine anständige Mahlzeit gebrauchen. Du hast ein paar Pfund verloren, seitdem ich dich zum letzten Mal gesehen habe.”
Elena hielt Chris die Tür auf.
Die Hütte hatte ein großes Schlafzimmer und ein großes Bad.
Küche und Wohnzimmer waren durch einen hüfthohen Tresen voneinander getrennt. Elena gab Chris ein Zeichen, er solle sich am Tresen niederlassen, während sie etwas zu essen aus dem Kühlschrank holte.
„Ich esse viel Salat und Obst”, meinte sie. „Es ist zu heiß zum Kochen.”
Chris saß auf einem der Hocker. „Schön ist es hier. Hast du auch eine Klimaanlage?”
„Nein. Meistens genügt der Wind vom Meer, um die Räume kühl zu halten. Ich lasse alle Fenster auf und stelle den Ventilator an.” Elena setzte sich neben Chris.
„Du scheinst nicht überrascht, mich zu sehen”, sagte er nach ein paar Minuten.
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