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Agent der Sterne

Titel: Agent der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Scalzi
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Michelles letzte Erinnerungen beendet hatte, breitete sich in der Gemeinschaftshalle ein Gestank übelster Sorte aus.
    Irgendwo im Riechzentrum meines Gehirns resignierten meine Nerven vor dem olfaktorischen Ansturm. Miranda stöhnte, wandte sich ab und erbrach sich. Van Doren, der immer noch mit Gwedif verbunden war, schien von alledem völlig unbeeindruckt zu sein. Später erfuhr ich, dass Gwedif seinen Geruchssinn unterdrückt hatte. Verdammter Glückspilz!
    »Uff«, keuchte Joshua. »Jetzt ist es passiert.«
    Ich beugte mich über Miranda, um ihr zu helfen. »Mein Gott, Joshua, heiliger Strohsack!«, entfuhr es mir. »Was ist hier los?«
    »Weißt du noch, wie Gwedif erwähnte, dass es kein einstimmiger Beschluss war?«
    »Sicher. Und?«
    »So war es tatsächlich. Alle Offiziere waren dagegen, dass Michelle von Gwedif untersucht wird. Alle.«
    »Was? Warum haben wir es dann trotzdem gemacht?«
    Gwedif meldete sich zu Wort. »Weil sie vom Ientcio überstimmt wurden, Tom. Mit der Begründung, dass es für uns sehr wichtig ist, einen Eindruck zu bekommen, wie akkurat Joshuas Interpretation der Ereignisse war, nicht wegen deiner Argumente. Er sagte, er wäre fest davon überzeugt, dass Joshuas Version korrekt ist, und es wäre nur höflich, dir deinen Wunsch zu erfüllen, weil du unser Freund und Partner bist.«
    »Er hat mir damit einen Gefallen getan?« Plötzlich wurde ich wütend. »Er kann mich mal! Und du auch, Gwedif, weil du mitgemacht hast. Ich will nicht, dass ihr nett zu mir seid, um den Anschein zu wahren. Ich versuche nur, eurem verdammten Volk zu bieten, was ihr haben wollt.«
    »Bitte, Tom«, sagte Gwedif. Seine Stimme klang angespannt, und ich fragte mich, wie viel davon echte Anspannung und wie viel gespielt war, da die gesprochene Sprache für ihn eine künstliche Form der Kommunikation war. »Du weißt nicht, was hier los war.«
    »Dann kläre mich auf.«
    »Die Offiziere sind nicht die Einzigen, die dagegen sind, dass Joshua den Körper deiner Freundin übernimmt, sondern fast alle Besatzungsmitglieder dieses Schiffes. Das Tabu hinsichtlich der Übernahme eines denkenden Lebewesens gegen seinen Willen ist unter den Yherajk extrem stark ausgeprägt. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie tiefes in unserer Kultur verwurzelt ist.«
    »Es lässt sich höchstens mit fünf oder sechs eurer Zehn Gebote aufwiegen«, sagte Joshua.
    »Das ist sehr salopp ausgedrückt, aber darauf läuft es hinaus«, sagte Gwedif. »Und jetzt kommst du und verlangst von uns, dass wir diese tief verwurzelte Überzeugung über Bord werfen, Tom. Offen gesagt, es gibt eine größere Fraktion von Yherajk, die findet, dass deine Bitte ein Beweis zu sein scheint, dass die Menschen ethisch nicht weit genug entwickelt sind und wir uns deswegen lieber nicht mit ihnen einlassen sollten. Sie wollen die ganze Sache abblasen.«
    »Diese Bedenken würde ich verstehen, wenn Michelle leben würde«, sagte ich. »Aber sie ist hirntot. Also praktisch tot.«
    »Wir haben keine Gehirne, Tom«, sagte Gwedif. »Der Begriff ›hirntot‹ lässt sich nicht direkt in unsere Sprache übersetzen. Wir können damit nichts anfangen. Für die Yherajk gibt es den Körpertod, der nicht zwangsläufig mit dem Tod der Persönlichkeit gleichzusetzen ist. Und es gibt den Seelentod, der nichts mit dem Körpertod zu tun haben muss. Aber wenn ein Yherajk den Körper eines anderen Yherajk übernimmt, tötet er damit die Seele des anderen. Das ist Mord, Tom. Für uns ist das, was du vorschlägst, einfach nur Mord.«
    »Aber sie ist doch schon tot«, sagte ich in beinahe flehendem Tonfall.
    »Dieser Unterschied spielt im Grunde keine Rolle«, sagte Gwedif ruhig. »Zumindest für die meisten von uns. Deshalb musste der Ientcio sagen, dass er aus Höflichkeit gehandelt hat.«
    »Hä?«, sagte ich.
    »Mensch, Tom, manchmal bist du verdammt schwer von Begriff«, sagte Joshua verärgert. »Das war die einzige Möglichkeit für den Ientcio, die übrigen Schiffsoffiziere davon zu überzeugen, sein Votum zu akzeptieren. Indem er gesagt hat, dass es die Höflichkeit gebietet, deiner Bitte zu entsprechen. Die Offiziere haben eingelenkt, weil sie erwarteten, dass sich meine Version der Ereignisse als richtig erweisen würde. Nachdem sich das als Irrtum herausgestellt hat, sind sie mächtig ins Grübeln gekommen. Und du hast jetzt sprichwörtlich den Fuß in der Tür.«
    Ich brauchte eine Minute, um zu verarbeiten, was Joshua gesagt hatte. »Wow!«, sagte ich schließlich. »Im

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