Agenten kennen kein Pardon
Behrenz.
»Nehmen Sie mir bitte sofort die Fesseln ab«, keuchte er. »Dieser Mann dort darf uns nicht entkommen.«
Heinz Behrenz beachtete ihn nicht, sondern trat an ibn Menra heran, der noch immer auf der Felsnase stand. Ruhig, mit erhobenen Händen, lächelnd.
»Es ist bedauerlich, Herr Kollege, daß Sie soviel Mühe hatten, mir Herrn Dr. Bouth zu bringen. Was halten Sie davon, wenn wir die Reise gemeinsam fortsetzen?«
Ibn Menra ließ die Arme sinken. »Sie haben mich gesucht?«
»Ich erhielt den Auftrag dazu!«
»Sie sind Agent?«
»Ja. Kommen Sie, Herr Kollege. Aber greifen Sie nicht in die Tasche. Ich habe schneller abgedrückt, als Sie gezogen haben.«
Der Marokkaner sprang auf den Pfad und kam auf Behrenz zu. Ohne Widerstand ließ er sich seine beiden Waffen aus den Taschen nehmen. Er holte aus dem Rock eine Schachtel Zigaretten und bot sie an.
»Eine kleine Friedenspfeife, meine Herren?« Er half mit, Dr. Bouth von seinen Fesseln zu lösen und massierte seine rotangelaufenen Handgelenke. »Unter uns sind wir jetzt«, meinte er vergnügt. »Ich erwarte jetzt nur noch die Russen.«
Dr. Bouth nickte, indem er die Arme zur Blutzirkulation weit im Kreise schwang. Er wandte sich an Behrenz.
»Wollen Sie mir auch verraten, wo sich Mabel Paerson befindet? Allerdings – das versteht sich – nur gegen das Entgelt der neuen Atompläne, nicht wahr?«
»Nein.«
»Was? Sie wollen nicht einmal die Pläne?«
»Vor einigen Tagen – jetzt nicht mehr! Ich habe nur Sie gesucht, um Sie aus den Händen unseres Kollegen zu befreien. Das ist alles.« Behrenz steckte seinen Revolver wieder in die Tasche. »Warum ich dies tue … das ist eine lange Geschichte, Doktor Bouth.«
Ibn Menra reichte Feuer herum. Der süße Duft seiner Opiumzigaretten durchzog das schmale Tal.
»Und was soll nun werden?« fragte er. »Ich nehme an, daß Sie mich an eine schöne, glatte Wand stellen, um dann allein mit Doktor Bouth weiterzuziehen.«
»Ich bin kein Mörder!« sagte Behrenz laut.
»Verzeihung. So genau kann man das nicht wissen.« Ibn Menra schüttelte den Kopf. »Was wollen Sie eigentlich?«
»Gregoronow und Zanewskij.«
Dr. Bouth sah den Marokkaner an. »Sie wollen es doch wissen«, höhnte er.
Ibn Menra nickte. Er nahm seine Karte aus der Rocktasche und schlug sie auf. Dann hielt er sie Heinz Behrenz hin und wies mit dem Finger auf einen dunklen Punkt. Interessiert traten Bouth und Behrenz näher und beugten sich über die Karte.
»Hier befinden wir uns«, sagte ibn Menra. »Und dort, in unserer Nähe, hundert Kilometer nordwestlich, liegt der Emmons Peak. Sie können ihn mit Ihrem robusten Studebaker in zwei Stunden bequem erreichen. Hier, am Emmons Peak, müssen sich die Russen versteckt haben. Die Gegend wimmelt von ausgewaschenen Höhlen. Auf jeden Fall sind sie in den Uinta Mountains. Bei Ogdon, in den Bergen am Salzsee, hat man die Trümmer ihres Versorgungsflugzeuges gefunden. Das Flugzeug verunglückte nicht, es wurde gesprengt.«
»Und Sie glauben, daß Mabel auch am Emmons Peak ist?« Dr. Bouth umklammerte die Karte, als sehe er Mabel schon vor sich, nur getrennt durch eine Macht, gegen die er im Augenblick noch keine Waffe besaß.
Ibn Menra rollte die Karte wieder zusammen und steckte sie in die Tasche. »Es ist möglich, daß Gregoronow und Zanewskij nach dem Scheitern der Verhandlungen mit Ihnen den ersten Ort verlassen haben und die vier Tage, die Sie Ihnen gewährten, an einem vielleicht besseren Platz verbringen. Auf jeden Fall sind sie hier in der Nähe, wenn sie mit Ihnen eine neue Unterredung bei Gleenwood Springs abgesprochen haben.«
Dr. Bouth bemächtigte sich einer großen Unruhe. Mabel hier in der Nähe. Und wir sprechen, wir versäumen wichtige Stunden. Jede Minute leidet sie, jede Minute kann sie auch das Leben kosten.
Er drängte auf Abfahrt. Heinz Behrenz und ibn Menra teilten sich das Fahren. Dr. Bouth saß auf dem Rücksitz und reinigte die staubigen Waffen. Er ahnte, daß der Kampf um Mabel in seiner Endphase wirklich ein Kampf sein würde. Aber er kannte keine Furcht, es kam ihm nie der Gedanke, daß er dabei fallen könnte, daß er Mabel nie mehr sehen würde, wenn einer der Russen besser zielte als er.
Der Wagen schlängelte sich durch die Cañons. Gut gefedert schwang er sich über die holprige Straße. Der robuste Motor brummte beruhigend gleichmäßig.
Ibn Menra, der am Steuer saß, richtete sich plötzlich im Sitzen auf. Man war drei Stunden gefahren, der Weg senkte sich.
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