Agenten kennen kein Pardon
und beobachtete die Büsche, die bis an die Straße reichten.
Wieder bellte ein Schuß auf. Die Felswände warfen ihn mit vielfältigem Echo zurück. Dr. Bouth, der den Wagen in wenigen Metern erreicht haben würde, zuckte zusammen und wankte.
»Sind Sie getroffen?« schrie Behrenz erschrocken.
Dr. Bouth schüttelte den Kopf und taumelte weiter. Er erreichte den Wagen, riß die Tür auf, schob Mabel in das Innere und fiel dann selbst zwischen Vorder- und Rücksitz auf den Boden. Aus seiner Schulter sickerte Blut. Das Hemd, die Jacke färbten sich rot. Gierig saugte der Stoff das Blut auf.
Er kroch ganz in den Wagen und zog die Tür hinter sich zu. Stöhnend zog er sich an dem Sitz empor und setzte sich neben Mabel. Er faßte ihren Puls und spürte, wie er schwach schlug.
Glück durchströmte ihn. Unfaßbares Glück. Er küßte wieder die heißen, aufgesprungenen Lippen, stand ächzend auf, nahm Behrenz' Orangensaftflasche und träufelte Mabel ein wenig zwischen die wie nach einem Schrei geöffneten Zähne.
Hinter sich, auf der Straße, hörte er die Schüsse peitschen. Ein paarmal klang es wie ein metallener Schlag gegen den Wagen. Er duckte sich und beugte sich über Mabel. Mit seinem Körper schützte er sie. Sein Kopf lehnte gegen das Polster. Der linke Arm wurde gefühllos, leblos, er hing am Körper, als gehöre er gar nicht dorthin. Warm lief es über die Schulter den Rücken hinab.
»Mabel …«, sagte Dr. Bouth. Dann verließen ihn die Gedanken, und er sank über ihr zusammen.
Ibn Menra kauerte im Straßengraben. Er hatte als erster gesehen, wo sich ein Busch bewegte. Gleich an der Straße, keine fünfzig Meter entfernt, lag der Schütze, der Dr. Bouth angeschossen hatte.
Heinz Behrenz suchte den Hang ab, der sanft zur Straße abfiel und dicht bewachsen war. Hier, hinter einem Baumstamm, lag Zanewskij und wartete. Gregoronow, in dem Busch an der Straße, schoß mit gleichgültiger Miene in die Reifen des Wagens. Als er sah, wie er in sich zusammensackte, lachte er zufrieden. Sein breites Gesicht zeigte Zufriedenheit. Er wechselte das Magazin seiner Waffe und blickte hinüber zu dem Graben, in dem ibn Menra und Behrenz lagen.
»Wir kommen so nicht weg.« Der Marokkaner kroch an Heinz Behrenz heran. »Versuchen Sie, zum Wagen zu kommen. Fahren Sie ab.«
»Und Sie?«
Ibn Menra schüttelte den Kopf. »Ich bleibe hier. Ich decke Ihre Abfahrt. Retten Sie Miß Paerson und Dr. Bouth vor den Russen.«
»Ich lasse Sie doch nicht allein!«
Ibn Menra legte sich auf den Rücken und blickte in den wolkenlosen, blauen Himmel. Sein Gesicht war fern.
»Ich bin ein Mörder, ich gehöre nicht mehr in die Gesellschaft der Menschen. Was habe ich im Leben zu erwarten? Eine neue Jagd, dieses Mal um meinen Kopf. Eine Gerichtsverhandlung, ein Verhör, die Entdeckung meiner Tätigkeit, der Verrat des Landes, für das ich arbeitete … und am Ende der elektrische Stuhl. Warum das alles? Wir können dieses Verfahren doch verkürzen. Wo wird mir eine so gute Gelegenheit geboten wie hier?« Er lächelte wieder das rätselhafte Lächeln. »Ich habe mir immer gewünscht, nicht im Bett, sondern unter der heißen Sonne meiner Heimat zu sterben … draußen, wo der Atem der Wüste über den Atlas weht, und wo der Schrei der Tuareg die Rinderherden antreibt. Man soll sich so etwas nie wünschen. Nein! Immerhin scheint auch jetzt die Sonne, und es ist warm. Wenn man die Augen schließt und an nichts anderes denkt, könnte man glauben, es ist alles so, wie man es sich erträumte: Wärme, Luft und Weite.« Er drehte sich zu Behrenz herum, der ihm erschüttert zuhörte. »Ich heiße Kezah ibn Menra. Ich arbeitete für Spanien.«
»Ich heiße Heinz Behrenz und arbeitete für Japan.«
Sie gaben sich die Hand. Sie fühlten, wie sie zitterte.
»Japan ist ein schönes Land.« Ibn Menra lud seine Waffe neu. »Ich habe einmal – vor dreizehn Jahren – in Tokio gewohnt. Kurze Zeit nur. Na ja …«, er winkte ab. »Laufen Sie, Heinz … ich bleibe hier.«
»Nur, wenn Sie mitkommen, Kezah.«
»Nein!« Er drehte sich wieder auf den Bauch und kroch an den Rand des Grabens. »Warum wollen Sie mein Leben erhalten? Es ist mir selbst nichts mehr wert. Und – das wissen Sie doch – wenn wir den Glauben an uns selbst verlieren, ist der Tod eine Erlösung. – Gehen Sie, Heinz.«
»Ich verspreche es Ihnen, Kezah.«
»Danke …«
Ibn Menra kroch an den Rand des Grabens und schoß auf den Busch. Gregoronow, der es in seinem Blattwerk rauschen
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