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Agenten kennen kein Pardon

Agenten kennen kein Pardon

Titel: Agenten kennen kein Pardon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schloß die Tür wieder. Er machte einen letzten, verzweifelten Versuch. »Paerson«, sagte er eindringlich. »Seien Sie doch vernünftig.«
    Prof. Paerson drehte sich herum. Es war eine Abkehr, wie sie deutlicher nicht ausgedrückt werden konnte. »Erinnern Sie mich nicht an meine Vernunft, McKinney«, sagte er. »Wenn ich an sie allein denken sollte, ging heute noch Los Alamos in die Luft!«
    »Sie sind wahnsinnig!« schrie der General.
    »Es ist ein Wahnsinn der Erkenntnis. Ein neuer, interessanter Bazillus für die Psychopathen. Es gibt eine seltene Art von Paranoia – die Angst vor sich selbst! Ich bin soweit, McKinney, ich darf in keinen Spiegel mehr sehen … ich laufe vor meinem Anblick entsetzt davon.«
    »Sie müssen sich erholen, Paerson. Sie müssen ausspannen. Kommen Sie mit nach Washington. Seien Sie einer der Großen unseres Landes. Amerika kann Sie zum reichsten Mann der Welt machen. Sie können über Milliarden Dollar verfügen!«
    Prof. Paerson ging zur Tür, die gegenüber McKinney in seinen Schlafraum führte.
    »Bitte, gehen Sie, General!« sagte er laut. »Gehen Sie sofort, ehe ich Sie hinauswerfen lasse!«
    McKinney prallte zurück. »Paerson!« schrie er. »Was fällt Ihnen ein?!«
    »Gehen Sie! Ich habe Ihnen nichts, gar nichts mehr zu sagen.« Damit ließ er McKinney stehen und verließ das Zimmer. Er schloß sich ein und verbat sich, gestört zu werden.
    Wie ein geprügelter Junge verließ General McKinney das Haus von Prof. Paerson und ging zurück zu dem Gästehaus von Los Alamos.
    Dort saß er jetzt und blickte über die Cañons hinweg in den Himmel.
    Plötzlich erhob er sich und ging in das Schreibzimmer. Er nahm den Hörer vom Telefon ab und schaute auf seine Armbanduhr.
    »Bitte, direkte Leitung Washington, Nummer 34.876, Apparat 7.« Er wartete ein paar Minuten, dann knackte es in der Hörmuschel. »Hier McKinney«, sagte er. Seine Stimme hatte wieder den alten, festen Klang. »Herr Staatssekretär, ich habe Ihnen eine Hiobsmeldung zu machen. Professor Dr. Paerson weigert sich, sein Atomgeheimnis preiszugeben.«
    Es war eine Zeitlang still in Washington, dann sagte der Staatssekretär langsam: »Im Interesse der Vereinigten Staaten lassen Sie Professor Paerson festnehmen und inhaftieren. Ich komme in zwei Tagen nach Los Alamos. Geben Sie Paerson Hausarrest und umstellen Sie unauffällig das Haus durch private Detektive.« Man hörte, wie schwer es dem Mann am Telefon im Weißen Haus von Washington wurde, diese Worte auszusprechen. Auch McKinney schluckte krampfhaft, als habe er einen Kloß in der Kehle.
    »Und wie denken Sie sich das weitere?«
    Der Staatssekretär überlegte lange. Es dauerte Minuten, ehe er antwortete. Man hörte nur seinen Atem.
    »Ich weiß es nicht«, sagte er endlich. »McKinney – warum weigert er sich denn?«
    »Aus Angst vor einem neuen Krieg.«
    »Aus Angst?« Der Mann im Weißen Haus blickte auf seinen Schreibtisch. In einem schmalen goldenen Rahmen lachten ihn seine Frau und drei kleine Kinder entgegen. Es war eine Aufnahme, die er selbst bei einem Ausflug an die Chesapeake-Bucht gemacht hatte. Im Hintergrund sah man die Türme von Annapolis. »Aus Angst«, sagte er leise. »McKinney, ich habe ungeheure Achtung vor diesem Menschen.«
    General McKinney ließ den Hörer fallen. Er kam sich klein und unnütz vor. Er fühlte sich abseits stehen. Lange blickte er an sich herunter. Der Waffenrock, die Uniformhose, die Knöpfe, die Schulterstücke, die goldenen Sterne.
    Ich bin Soldat, dachte er und richtete sich an diesem einen Wort auf. Ich bin ein Mensch, der gehorcht. Ich habe Vernunft, ich habe Ehre, ich habe Gewissen, ich habe sogar einmal gesagt, ich kenne die Liebe … warum weigere ich mich, Paersons Gedanken zu verstehen? Weil ich Soldat bin? Weil ich gehorche?
    Er verließ das Schreibzimmer und ging hinüber in das Kasino der Wachtruppe. Lächelnd betrat er es, jovial, lustig, aber mit jener Verkrampfung im fröhlichen Ton, daß es schwer war, ihm die gehobene Stimmung zu glauben.
    Er unterhielt sich mit den Offizieren, er spielte einige Runden Billard und erörterte die politische Lage. Er rauchte Zigarren und stieß mit den Offizieren mit einem Glas Whisky an.
    So verging der Tag. Er schickte keine Detektive zu Professor Paerson, er befahl keinen Hausarrest, er bewachte ihn nicht.
    Zum erstenmal in seinem Leben gehorchte er nicht einem Befehl.
    Und er wußte nicht, warum er es tat. Er fühlte nur, daß es Menschen gab, die stärker waren als er.

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