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Agenten - Roman

Agenten - Roman

Titel: Agenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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lüstern an den Regalen hinauf, und ich überlegte, wie ich ihn ablenken könnte.
    »Was hast du eigentlich vor, nach dem Abitur?«

    »Ich werde Wein verkaufen, das wär doch ein Gedanke. Ich werde Geschäfte oben in Norddeutschland beliefern, wo sie glauben, Ruländer sei ein Anbaugebiet. Ich werde mit riesigen Fässern nach Norddeutschland fahren, in diese flachen, weinlosen und deshalb so tödlich langweiligen Ebenen, wär doch ein Gedanke. Ich werde ihnen einen Pfälzer für einen Mosel vormachen, das kannst du mir glauben. Die halbe Pfalz werde ich aufkaufen, das schlimmste, matteste Zeug, und sie werden es saufen, weil sie nichts Besseres gewohnt sind.«
    »Kein schlechter Gedanke«, sagte ich mit einem Blick auf sein geleertes Glas.
    »Ein exzellenter Gedanke! Norddeutschland habe ich schon immer gehaßt, Meynard, Norddeutschland ist die absolute Gegenwelt. Die kann man gar nicht genug vergiften, diese Pferdezüchter und Reitstallbesitzer. Die haben nur Pferde und Mist im Kopf, Pferdemist und Mistpferde. Am schlimmsten sind die Dressurreiter, ein Leben im Viereck, zwischen lauter Banden! Kannst du dir das vorstellen? Nein, man braucht es keinem Vernunftbegabten zu erklären. Es ist die Transparenz des Absurden, Geckengestalten in Reitfrack und weißen Stiefelhosen, mit einem Schornsteinfegerzylinder! Und am schlimmsten sind die Dressurreiterinnen! Ist das dir auch aufgefallen?«
    »Was?«
    »Wo bleibt denn mein Glas?«
    »Was?«
    »Doris, mein Glas!«
    Doris brachte uns das nächste Paar, und Blok nahm einen kräftigen Schluck. Dann schmeckte er nach, mit so übertriebenem Schlürfen, daß man sich nach ihm umschaute.
    »Mittelrhein, die eigene Wiege!«

    »Was ist dir aufgefallen?«
    »Der hat weniger Biß. Sie versteht nichts davon. Wie kann man einen Mittelrhein nach einem Rheingauer bringen? Das läuft völlig gegen den Strich. Meinst du, Weintrinker haben Charakter?«
    »Das mußt du besser wissen als ich.«
    »Weintrinker haben Charakter nur in Ausnahmefällen. Nur in sehr seltenen Ausnahmefällen. Aber auf die kommt es an! Die Ausnahmefälle unter den Weintrinkern gehören zu den besten Trinkern überhaupt, sag ich dir.«
    »Und wie wird man ein Ausnahmefall?«
    »Dumme Frage, hättest du besser nicht gestellt. Niveau, Meynard, ein bißchen Niveau! Es gibt schließlich Gesetze, auch für die Ausnahmefälle existieren Gesetze. Winzer sind übrigens meist keine Ausnahmefälle, besonders dann nicht, wenn die bäuerlichen Komponenten vorherrschen. Ein Ausnahmefall ist für sein Leben von allem Geiz befreit. Er hat einige Sorten probiert, die seine gesamten Geschmacksnerven für immer verändert haben. Mit jedem Schluck trauert er dieser Erlesenheit nach, in jedem Schluck liegt ein veränderliches Minus. Ausnahmefälle sind gezeichnet, Meynard, sie wissen und schweigen, sie bilden den verschwiegensten Orden überhaupt.«
    »Du bist also ein Ausnahmefall?«
    »Schwatz nicht so herum, Meynard! Dir muß man erst alles vormachen, bis du kapierst. Bitte…, gut…, machen wir dich zum Ausnahmefall! Doris, die Karte!«
    »Nein, Blok«, sagte ich heftig, »das muß jetzt nicht sein!«
    »Was spricht dagegen?«
    »Ein andermal!«
    »Sag mal, spielst du Theater mit mir? Ein andermal … ist
eindeutig Theater! Irgendeine französische Posse! Mit Frauen aus der Provinz oder mit Dressurreiterinnen!«
    »Richtig, was war nur mit denen?«
    »Was war nur mit denen?! Geliftet, Meynard, die sind alle geliftet! Die haben Fassaden wie reißfeste Luftballons, und wenn sie lächeln, wirken sie extrem überspannt. Bei meiner Schwiegermutter war es deutlich zu sehen, diese üble Verspannung, und dann dieses geleckte Gebiß, ein abstoßend weißes, gelecktes Gebiß, schlaffe Lippen, ganz ausgepowerte Lefzen!«
    »Bei deiner Schwiegermutter?«
    »Werd nicht pedantisch! Bei meiner Stiefschwiegermutter! Sie trank nur diesen Mischmasch, Cocktails sagte sie dazu, und der kleine Erwin durfte den Zucker vom Rand ablecken. Restsüße! Übelste Restsüße! Wo bleibt die Karte?«
     
    Ich durfte ihm nichts mehr abschlagen, er hätte sonst für Aufruhr gesorgt. Ich ging zu Doris und bat sie, mir eine Karte zu geben. »Du brauchst es nicht genau zu nehmen«, flüsterte ich ihr zu und ging schnell zu Blok zurück.
    »Was hast du mit ihr?« fragte er.
    »Ich hab sie gefragt, ob sie hinterher Zeit für mich hat.«
    Er hob nur kurz den Kopf und bewegte den Zeigefinger langsam, gleichmäßig hin und her, wie sich ein Scheibenwischer

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