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Agenten - Roman

Agenten - Roman

Titel: Agenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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bewegt.
    »Doris, wir nehmen den Pommard !« sagte er leise.
    »Aber das ist ein Rotwein«, sagte Doris und blickte zu mir, »außerdem haben wir den nur in der Flasche.«
    »Hör dir das an, Meynard«, murmelte Blok, immer leiser werdend, »müssen wir uns diese Tautologien bieten lassen?«
    »Wir nehmen die Flasche!« entschied ich.

    »Sie kostet über hundert Mark«, versuchte Doris es ein letztes Mal. Blok nahm sein Portemonnaie aus der Tasche und zog zwei Hundertmarkscheine heraus. Er legte sie auf den Tisch und starrte stumm vor sich hin.
    »Keine Restsüße…«, fuhr er fort, »in diesem Fall ist das angebracht, ich habe es mir geschworen, damals, als ich von zu Hause wegging. Frankie hat eine Dummheit begangen, er hat insgesamt nicht mit mir gerechnet. Für klein Erwin haben sie den Garten vergrößert und eine Schaukel aufgestellt, sie haben ihm erlaubt, mit seinen Freunden dort Fußball zu spielen, und Frankie hat eigenhändig den Rasen nachgesät. Die Dressurkönigin ist alle paar Tage Richtung Bonn/Köln gefahren, um sich dressingmäßig auf dem Laufenden zu halten. Sie haben sich einen zweiten BMW gekauft, neu, nur damit sie Auslauf hatte. In knapp einer Stunde schaffte sie es bis Köln, schon gegen Mittag war sie wieder zurück, und ich hörte das Ticken ihrer hohen Absätze auf den Kiesplatten neben der Garage. Sie schloß auf und stieß mit dem Knie gegen die Tür, so daß sie gegen die Wand klatschte, dann ließ sie ihre Accessoires fallen, um erst mal das Radio einzuschalten. Sie wußte genau, ich war unten, doch sie bestand auf ihrem hinreißenden Auftritt, die Türen geschlagen und dann diese dienlichen Schlager! Jedes neue Kleid wurde sofort anprobiert, zwischen Bad und Schlafzimmer hin und her, gefallen und nackt, mit diesen Stöckelschuhen. Das ganze Haus war voll von ihrem Parfum, eine widerliche Saustallmarke, um die Hippursäure zu übertönen, Pferdeschweiß zwischen ihren langen Dressurbeinen, die alles zu fassen bekamen. Frankie war ein bißchen süchtig nach ihr, aber er ist nicht der Mann, der mit ihr auskommt, zu nonchalant, nicht dressurmäßig genug, um immer im Viereck zu gehen. Von Anfang an dachte ich es, der
täuscht sich, diesen Jahrmarkt hält er nicht durch, da schimmert der Rummel zu deutlich heraus, und genau, ich kenne doch meinen Frankie.«
    Doris brachte die Flasche, und Blok schwieg sofort. Mit einem Mal war seine Stimmung umgekippt, ich bemerkte es an der Scheu, mit der er den Wein kostete. Er versuchte, sich zusammenzunehmen, und es war etwas von Ehrgeiz dabei, der Qualität des Weines standzuhalten. Er probierte dreimal, und diesmal trank er nur wenig.
    »Hol dir ein Glas«, sagte er zu Doris, »und setz dich wenigstens einen Augenblick zu uns. Einen Pommard muß man feiern.« Ich stand auf und holte einen zusätzlichen Stuhl.
    »Auf euch beide!« sagte Blok, und wir stießen mit den Gläsern an. Ich trank vorsichtig, und der Wein sackte wie ein langsam fallender, immer schwerer werdender Körper, der erst in diesem Fall seine Aromen verströmte, in mich hinein. Es war ähnlich einer starken Berührung von innen, aber fast pflanzlich, absterbend.
    »O Gott«, entfuhr es Doris. Blok aber leerte sein Glas und stand auf.
    »Ihr Kinder«, sagte er feierlich, »was wißt denn ihr Kinder schon? Und was wißt ihr überhaupt ?«
    Er grüßte kurz, amerikanisch, als berühre er mit den beiden gestreckten Fingern den Schirm eines cap; dann ging er hinaus.
     
    Es war eine sternklare Nacht, wie ein warmer Odem von fern, unfaßbar schwül. Draußen flogen die schweren Maschinen aus dem Dunkel heran, aufgekratzte, sich jagende Insekten, die nicht zur Ruhe kommen würden. Die Straßen wirkten ausladend breit, eingetaucht in diesen orangenen Flimmer der
ins Abseits gedrängten Leuchten. Hinter uns das unterdrückte, vereinzelte Lachen der letzten Gäste, die nicht aufbrechen wollten, gingen wir an dem dunklen Parkbezirk gleich gegenüber entlang. Der Pommard hatte mich weich und fiebrig gemacht, die Haut wie ein Pelz, den jeder Luftzug erregte. Der Gehweg war schmal, eine trockene Fährte zwischen den dicht gewachsenen Hecken und den parkenden Autos. Wir bogen rechts ab, in eine Schneise zwischen den dunklen, atmenden Bäumen und kletterten über das Drehkreuz, das den Park hilflos verschloß. Ein feiner Hauch flog uns von den Bäumen her an, kühle Feuchte, wie ein lindernder Druck. Die Blätter der hohen Rhododendronsträucher hatten alles Leben verloren und hingen wie

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