Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Agenten - Roman

Agenten - Roman

Titel: Agenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
Vom Netzwerk:
Plastikbehältern in billige Holzimitate, und Mutter sitzt oben, in unserer guten Stube, mit den Chauffeuren und schenkt ihnen ein. Sie mauschelt ihnen was von abgelagerten Jahrgängen und setzt sie mit finstren Begriffen wie Öchsle und QbA unter Druck, und darauf fallen sie rein; sie nehmen für sich selbst mindestens noch einmal die Hälfte. Das sind so die Geschäfte der Alten, es dreht sich alles nur um den Wein, manchmal glaub ich, die haben deshalb soviel Wetterfühligkeit in ihren Venen. Unsere gute Stube müßtest du sehen, eine perverse Kreuzung, halb Empfangsraum, halb Wohnzimmer, so wie die Dekorationen beim Ohnsorg-Theater. Altdeutscher Stil, schwere Eiche, mit dunkel geblümten Stoffüberzügen. Wer da einmal reinsackt, kommt so schnell nicht mehr raus. Und genau das brauchen die Kunden. Die fühlen sich mords überlegen, sind schließlich was Feineres als diese quasselnde Winzerbagage mit ihren verrotzten Gören und den handfesten Sitten. Und die Alten spielen das aus, sag ich dir. Sie geben sich heiter und drollig, wie Figuren von Spitzweg, und die Kunden nehmen es von der leichten Seite, da zählt nicht ein Fläschchen. Zum Wohlsein ! schreit Vater ihnen zu, immer ein wenig Dreck unter den Nägeln, und dann kommandiert er die Brüder, zackzack !, jawohl, hier wird noch gespurt ! Bei diesen Gelegenheitskäufen packen die Brüder die Flaschen ab, zackzack !, immer zwölf in die Kiste. Später wird die Ladung zum Auto gefahren, und kurz vor dem schmerzlichen Abschied tut Vater, als habe es ihn übermannt, und läuft zurück in den Keller, um das Geschenkpaket eigenhändig zu
packen. Das ist die rührende Tour, die Wiedergutmachung fordert, du siehst es den Kunden an, die ziehen mit einem Adrenalinpegel davon, mit dem kann sich der alkoholische nicht einmal messen. Dann herrscht Schweigen, die Show ist zu Ende, das Dienen hat sie alle ein wenig angeekelt, aber sie kommen schnell drüber weg.«
    »Und welche Rolle spielst du?«
    »Ich war die Tochter, die alswo gern fortgeht. Die einzige Tochter, mit drei gestandenen Brüdern. Da wirst du das Nymphchen, die permanente Touristenattraktion, sowas haben wir auch noch im Haus, ganz oben, unter dem Dach. Die Brüder wurden ruhig gestellt und ich ermuntert, mal was zu riskieren. Mit fünfzehn hab ich den Laden gekonnt unterhalten, ich hatte immer was vor und bin mit den Jungs, die mir gefielen, durchs Land. Mir hat man alles erlaubt, null Beanstandungen, die Doris, die ist von besseren Eltern. Bis einer von den gut gekleideten Gentleman, die mal gern eine Nacht in der Krone verbrachten, unbedingt tafeln wollte mit mir. Mit allem Prunk, das Festmenu. Ich sag dir, da war nichts dabei, der ergötzte sich nur an einer Tochter vom Rhein, aber es war schnell herum, Dorischen lottert über die Straße. Seit dem Abend galt ich als wurmstichiger Apfel, und wenn es soweit kommt, dann bist du für immer umstritten, und aus ist es mit der Lorelei. Ich bockte, ich gab keine Ruhe, ich hab sogar die Schule geschmissen. Sie haben mich zu einer Tante gesteckt, hierher nach Wiesbaden, und ich bekam eine Lehrstelle bei einem unserer Kunden, ein piekfeines Modegeschäft. Zwei Jahre hab ich geschneidert, mit Bandmaß, Kreide und Nähseideröllchen, ich hab mir selbst nicht getraut. Doch es lief, es schnurrte nur so. Wer weiß, was da in mir vorging. Abends verschnitten nach Haus, zu meiner Tante, und die
Frau ist die letzte fromme Person, streng katholisch, die griff noch ins Weihwasserbecken. Sie nähte selbst auf ihrer wackligen Singer und bosselte an Priestertalaren herum, hier ein Knöpfchen, dort ein Spitzchen. Sie hatte nichts anderes im Kopf, nur Dienst für die Kirche, Laienarbeit, Fürsorgepalaver im Pfarrhaus, und dann auch noch der Ältestenrat. Alles schwarz, ich hielt sie für völlig verdunkelt. Aber ich kam mit ihr aus, denn sie hatte nicht einmal Augen für mich, das war weltlich und deshalb weitab von ihrem geistlichen Sender. Am Ende hatte ich sie beinahe soweit, an ein paar Teufel weniger zu glauben, sie war ganz gerührt, weil ich mich nie beschwert hatte, von wegen mieser Arbeit oder niedrigem Lohn. Dabei hatte der Laden eine Chefin, der wünschst du die Hölle. Wochenlang hat sie mich bügeln lassen, mit Dampfbügeleisen. Meine Haut wurde fleckig, porös wie ein Schwamm, und das Zischen des Eisens hatte ich nachts noch im Ohr. Und dann besondere Schikanen, noch einmal die Nahtbänder entlang, mit besonderer Sorgfalt ! Wenn sie fort war, hab ich das Heulen

Weitere Kostenlose Bücher