Agenten - Roman
eingerollte Kokons an den splittrigen Zweigen. Kein Laut in diesem Terrain, nur das Motorenhuschen seitwärts und das holpernde Bremsen vor roten Ampeln. Seit wir den Park betreten hatten, nahm Doris sich Zeit, als gebiete diese Stille ein Streunen oder ein Schleichen. Die weiten Rasenflächen waren unmerklich gewellt, dann die freistehenden, prächtigen Bäume, Sumpfzypressen und Mammutbäume darunter, lauter einzelne, schwergewichtige Wesen. Nach der Gewöhnung der Augen ans Dunkel die schwachen, intimen Reflexe, ausgekohlte Schatten unter den Sträuchern, ein undurchdringliches Fusellicht zwischen den krakligen Ästen und darüber das glatte Schwarz des Himmels mit den ausgestreuten Sterngestalten, wunderlich präzis und ganz auf Distanz. Unübersichtliche Wege und mutwillig abbiegende Pfade, manieriert geführt, zwischen den Weihern hindurch, wo der Entenpulk seinen Hort hatte, von der Schlafschwere aufgedunsene Tiere, in deren Leibern es ruckartig pochte. Ein lauer Fäulnisgeruch, die salpetrige Schärfe des Kots, das knappe auffahrende Flügelklatschen eines erwachenden Tiers. Wir
bewegten uns auf die matt angestrahlte Gartenfront des Kurhauses zu, die Portieren hinter den Flügeltüren waren zugezogen, dahinter befanden sich die Räume des Casinos mit den grünen Roulettetischen und den kleinen, an den Kesselwänden entlangsummenden Kugeln. Die dunklen, asphaltierten Wege mündeten auf die breite Promenade, dort standen dicht hintereinander die weißen Bänke mit sacht geschwungenen Rückenlehnen, ein Halbkreis, direkt vor dem gähnend leeren Muschelohr des Pavillons. Der Boden war heller, fein mit dünnen Kieseln bestreut, und jeder Schritt walzte in der körnigen Masse. Die Promenade ein lichtes Gebiet, baumlos, von satten Blumenrabatten begrenzt. Wir setzten uns ausatmend auf zwei Stühle, mit dem Rücken zu den Weihern, den Blick auf die erstorbene Seite des Kurhauses.
»Blok ist neurotisch«, sagte Doris, »manchmal muß man fast Angst um ihn haben.«
»Du kennst ihn nicht«, antwortete ich, »es ist allerhand Trotz und Übermut.«
»Manchmal klopft er bei mir, dann hat er oft ein kleines Geschenk dabei, um sich für belanglose Dinge zu entschuldigen.«
»Entschuldigen? Wofür?«
»Laute Musik, unfreundliche Bemerkungen.«
»Du sollst ihm verzeihen?«
»Zumindest pro forma. Er sitzt da, ich mach einen Tee, und er schweigt. Er schaut zum Fenster hinaus und läßt sich dafür loben, wie edel er sein kann. Ich übertreibe bewußt, spendier ihm nur Schmeicheleien, und er rührt sich nicht. Entweder mimt er den Groben, oder er läßt sich bereden… Oder er sitzt rauchend im Treppenhaus, und ich höre ihn husten, schon tief in der Nacht. Ich glaube, er denkt viel an zu Hause.«
»Woher willst du das wissen?«
»Sein Vater und er liegen dauernd im Streit.«
»Spricht er darüber?«
»Nein, aber sein Vater taucht manchmal auf.«
»Frankie?! Frankie taucht bei ihm auf?«
»Der große Typ mit den karierten Hemden, das ist doch sein Vater?«
»Ja, das ist Frankie. Er ist der bestverdienende Arzt oben im Hunsrück. Er hat sich von Bloks Mutter scheiden lassen, aber das ist eine alte Geschichte.«
»Glaube ich nicht. Wenn ich höre, wie die sich begegnen, das ist Krieg. Jedesmal krachen sie gegeneinander, ganz direkt. Also ich könnte das nicht, solche Torturen ertragen. Warum treffen sie sich überhaupt, hab ich mich oft gefragt. Es geht um irgendeine Geschichte, die läßt sie nicht los, sie hakken aufeinander herum, und niemand gibt nach.«
»Eine Geschichte?«
»Es geht um Geld, ich glaube, es geht um viel Geld.«
»Aber Blok verdient doch genug, und außerdem zahlt ihm Frankie monatlich etwas.«
»Aber sie pokern, es hört sich an, als erhöhten sie laufend die Einsätze. Irgendwelche trüben Geschäfte. Weißt du was davon?«
»Blok spricht mit niemand darüber, ich durchschaue das auch nicht. Solange ich ihn kenne, war er mit Frankie im Clinch, zuerst wie zum Spiel, dann ging es ums Ganze.«
»Ist der Typ nicht in Ordnung?«
»Frag mich nicht, ich habe nichts gegen Frankie. Er ist sehr beliebt bei seinen Patienten, aber nur Blok kennt seine verborgenen Seiten.«
»Ich bleib weg von den Alten. Ist am besten so. Ich mach
sie nicht an, und sie halten Ruhe. Sie würden nicht einmal begreifen, was ich hier treibe. Mein Vater ist Winzer, wie sein Bruder; seit zwei Generationen hofiert die Familie die Fremden. Heutzutage schicken die ihre Kulis. Vater füllt im Keller heimlich den Wein aus
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