Agentur der boesen Maedchen
mehr gesehen. Am ersten Weihnachtsfeiertag war er mit seiner Tochter aus gewesen, aber er hatte es vermieden, mir dabei über den Weg zu laufen. Sie hatten sich in seiner Wohnung verabredet.
Meine Aufforderung munterte Hannes erheblich auf. Er trat ein, sah sich kurz um, legte seine Jacke ab und setzte sich. Ich holte inzwischen ein zweites Glas und den Wein. Für den Schampus war es noch eine Stunde zu früh, der kam ins Eisfach.
Als ich aus der Küche zurückkam, grinste Hannes schon. »Ich dachte an unsere früheren Silvester und daran, dass du vielleicht wieder mal Lust auf einen guten Streit hättest.«
»Ich bin nicht mehr so streitlustig wie früher.«
»Da bin ich mir nicht so sicher. Vielleicht hast du das Talent ja nur verkümmern lassen.«
»Und du meinst, man sollte es wiederbeleben?«
»Ich weiß nicht genau. Sie waren doch sehr anstrengend, diese Abende.«
Ich musste lachen.
»Und schmerzhaft. Immerhin habe ich dich einmal bei einer Party geohrfeigt.«
»Aber ich war auch mies drauf und habe dich ganz schön provoziert.«
»Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wie das vor sich ging.«
Hannes lächelte.
»Ich schon. Aber ich werde mich hüten, so etwas noch einmal zu sagen. Wer weiß, vielleicht kassiere ich sonst wieder Prügel.«
Es entstand ein peinliches Schweigen. Die Vergangenheit war nicht so besonders tragfähig, sie hatte uns gemeinsam zumindest kein Glück gebracht, warum also daran rühren.
Hannes, der ein großes Talent hatte, solche Momente zu überbrücken, fing wieder an zu reden.
»Gute Vorsätze für das neue Jahr?«
»Eigentlich nicht.«
»Aber du hast doch sicher nachgedacht über das abgelaufene.«
»Ja, sicher. Es hat sich einiges geändert. Aber das ist immer so.«
Ich wusste, dass das nicht der Weisheit letzter Schluss war. Doch besonders geistreich war ich nie, wenn es darum ging, eine Konversation am Laufen zu halten.
»Was hat sich geändert?«
»Da ist zunächst die Agentur.«
»In deren Auftrag du mit widerlichen Typen ausgehst.« Ich lächelte säuerlich.
»Du spielst auf die Geschichte mit Onkel Franz an. Es war mir so peinlich, dass du uns gesehen hast.«
»Das habe ich gemerkt. Was hat sich sonst geändert?«
»Meine Arbeit, ich werde mir etwas Neues suchen müssen. Und dann bist du wieder da. Dadurch hat sich zumindest mein Verhältnis zu Clara geändert.«
»Ist es schlechter geworden?«
»Nein, ganz im Gegenteil. Ich habe das Schlimmste befürchtet, aber es geht uns ganz gut miteinander.«
»Was ist denn das Schlimmste?«
»Ich dachte, das wäre, wenn sie ausziehen wollte. Aber zum einen habe ich davor gar nicht mehr so viel Angst wie noch vor einigen Wochen, und außerdem macht sie gar keine Anstalten.«
»Habt ihr darüber geredet?«
»Ja, wir können zurzeit über vieles reden. Und wir nehmen uns gegenseitig so, wie wir sind.«
»Klingt gut.«
»Ist es auch.«
Wieder war Sendepause. Aber ich wusste, jetzt sollte ich mal was fragen. Ich wollte auch nicht alles erzählen. Und wer nicht erzählen will, der muss fragen.
»Was macht deine Arbeit?«
»Ich bin ganz zufrieden. Die Clubs laufen gut, die Bilanzen stimmen. Es ist vielleicht nicht ganz so amüsant wie in der Karibik, aber ich kann mein Leben nicht nur unter Sonne und Palmen verbringen, ich brauche auch den Winter. Das ist mir irgendwann aufgefallen.«
»Aber im Sommer fährst du wieder hin.«
»Ich weiß es noch nicht, vielleicht.«
Die Uhr wanderte unerbittlich auf Mitternacht zu, und ich bekam Angst. Mir war nicht ganz klar, wie das weitergehen sollte. Hannes schien mein Unbehagen zu spüren.
»Sollen wir spazierengehen? Wir nehmen die Flasche und zwei Gläser mit.«
Ich hielt das für eine gute Idee. Es war eine sternklare Nacht, ziemlich kalt, es lag ein bisschen Schnee, richtig romantisch. Ich packte die Gläser rechts und links in meine Manteltasche, Hannes steckte die Flasche ein, und wir machten uns auf den Weg. Wir gingen durch die Altstadt, liefen auf die Brücke und sahen uns das Feuerwerk an. Wir stießen an, wünschten uns ein frohes neues Jahr, umarmten uns kurz, ließen die angeheiterten Menschen an uns vorübergehen, versenkten irgendwann die leere Flasche in einem Papierkorb und landeten im Stadtpark. Niemand war hier. Die Bäume standen finster und groß; ich musste mir eingestehen, dass ich erleichtert war, in männlicher Begleitung zu sein. Alleine wäre ich um diese Zeit hier nie spazieren gegangen, und dabei war es wirklich schön. Wir waren schon
Weitere Kostenlose Bücher