Agentur der boesen Maedchen
loszuwerden, wenn du erst mal da bist. Und du kannst ganz schön penetrant sein, weißt du das?«
»Ich will jetzt gehen.«
»Nein, noch nicht. Ich mache dir ein Angebot. Du kannst bleiben. Eine Woche oder zwei. Aber du wirst dich um den Garten kümmern. Es ist Frühling, und es gibt jede Menge zu tun. Ich sage dir jeden Tag, was zu erledigen ist. Außerdem gehst du zu Annette, lädst sie zum Essen ein und entschuldigst dich für deinen Überfall letzten Sommer. Wenn du mit der Gartenarbeit fertig bist, will ich von dir wissen, was du eigentlich mit dem Rest deines Lebens anfangen willst. Ansonsten verschwindest du für immer aus meinem Blickfeld und aus dem von Annette auch.« Karl-Heinz hatte sich wieder gesetzt. Er sah mich mit großen Augen an und sagte gar nichts. Also musste ich noch mal reden.
»Ich hole jetzt was zum Trinken, und wenn ich wiederkomme, bist du entweder verschwunden oder du beginnst heute noch mit der Arbeit.«
Als ich wiederkam, war Karl-Heinz noch da. Wir tranken einen Schluck, dann zeigte ich ihm den Garten. Offenbar war er wirklich obdachlos, denn er begann sofort mit dem Umgraben. Ich war stolz auf mich. Ich hatte meine alte Kraft wiedergefunden und ließ mir nicht mehr von jedem Idioten auf der Nase herumtanzen.
Eva »Eva, wie schön, dass du gekommen bist. Du bist uns also nicht böse?«
Karin war wie Zucker. Und ich mag Zucker nicht. Doch auch Lucie strahlte. Sie sah die trügerische Harmonie der früheren Tage wieder am Horizont heraufziehen, als ich zur Lesung ihrer neuentdeckten Autorin erschien. Sie fasste mich sacht am Arm und führte mich zu einem Stuhl in der ersten Reihe.
»Setz dich, ich freu mich ja so.«
Ich freute mich auch. Ricarda stand in einer Ecke mit Annette und war sichtlich nervös. Bei ihnen stand ein etwas ausgemergelter Typ, der nur gelegentlich nickte. Ricarda stupste ihn einmal in die Seite und lachte. Er verzog leicht das Gesicht, aber ein richtiges Lächeln mochte ihm nicht auskommen. Nachdem so viele Leute sich schon im Vorfeld zur Buchpräsentation angemeldet hatten, war Lucie in den Saal des nahegelegenen Bürgerhauses umgezogen. Der Vorteil daran war, dass man auch mit einem Prinzip des Buchladens nicht brechen musste. Dort hatten Männer keinen Zutritt. Es wäre aber dumm gewesen, sie auszuschließen. Bei den Zeitungen hatten sie das Sagen, und wenn es um Verkaufszahlen ging, dann brauchte man auch die Presse. Ich hatte Clara von dem Termin erzählt und tatsächlich saß sie mit Hannes und Jens drei Reihen weiter hinten. Sie winkten mir zu, und ich beschloss, meinen Paradeplatz aufzugeben und mich zu ihnen zu setzen.
Die einleitende Rede war kurz und schmerzlos. Lucie stellte Ricarda vor, sprach vom neuen Frauenroman, der mit Ironie und Pfiff und so weiter. Außerdem habe man sich entschlossen, mit der Zeit zu gehen, aber trotzdem mit Niveau … Die Autorin, die heute lesen sollte, sei eine Entdeckung des Frauenbuchladens, und sie als Verlegerin könne die Quintessenz dieses Buches nur so zusammenfassen: Männer, es geht vielleicht mit ihnen, aber sicher auch ohne sie. Ich hätte ihr ins Gesicht springen können, mein Buch mit so einem dämlichen Text zu versehen. Ich schämte mich fast für mein Werk.
Ricarda nahm Platz, räusperte sich, nahm einen Schluck Mineralwasser und begann zu lesen. Manchmal lachten einige, ansonsten war die Atmosphäre konzentriert. Die Texte, die Ricarda lesen sollte, hatten wir vorher abgesprochen. Es war ein bisschen Depression drin, ein bisschen Selbstfindung und ein bisschen Beziehungskiste. Nach der Lesung gab es Applaus, dann eröffnete Lucie die Fragerunde. Hannes lehnte sich zu mir herüber.
»Ich bin gespannt, wie sich Ricarda aus der Affäre zieht.«
»Ich auch.«
»Du hast sie sicher präpariert.«
»Ja. Aber bei Ricarda weiß man nie.«
Die erste Frage war klassisch und damit dämlich.
»Haben Sie das alles selbst erlebt?«
Ricarda nahm ihre Lesebrille ab und lächelte der Fragestellerin mütterlich zu.
»Nein. Ich habe mich von der Geschichte einer Freundin inspirieren lassen, aber ich glaube nicht, dass sie sich selbst darin wiedererkennen würde.«
»Warum nicht?« lautete die Rückfrage. Ricarda blickte sinnend vor sich hin und gab sich akademisch.
»Wissen Sie, irgendwann geht der Text seinen eigenen Weg. Die Figuren sagen einem, was sie erleben wollen, wohin sie sich entwickeln wollen, ja sie führen sozusagen ein eigenes Leben, und ich bin nicht mehr ihre Schöpferin, sondern das
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