Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin
einmal griff er sich das willige Fleisch, bis endlich die totale Erschöpfung und das absolute Ausgelöschtsein kamen; für den Rest der Nacht wenigstens.
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So spielte die Affäre sich ein, überstand den April und die ersten Maiwochen; von einem körperlichen Begehren und Brunststillen zum nächsten. Am Hof wurde es allmählich zum offenen Geheimnis, dass der Thronfolger sich die Waldeckerin zur Mätresse genommen hatte. Zeit sei es geworden, man habe es mit ihm ja wirklich kaum noch aushalten können, tuschelten die Schranzen; jetzt werde er hoffentlich bald wieder umgänglicher werden, dank der Künste der Böhmischen. In der Mitte des Marienmonats jedoch brach Albrecht unversehens aus; die Rothaarige war unpässlich in diesen Tagen, und er selbst hatte dem Wein wieder einmal unmäßig zugesprochen.
Unerreichbar; warum denn eigentlich?! So hämmerte es ihm durch den alkoholdunstigen Schädel, während er den Hengst nach Nordwesten jagte. Noch unter dem zarten Morgennebel lagen die Münchner Stadt und das Isartal da; direkt vom Gelage kommend, an dem freilich der Sedlec nicht teilgenommen hatte, war der junge Herzog in den Marstall eingefallen und hatte aufsatteln lassen. Hatte nicht mehr als drei Knechte zu seiner Bedeckung befohlen und hatte die Burschen schwören lassen, unterwegs und am Ziel sein Inkognito zu wahren. Und nun preschte er an ihrer Spitze dem Dachauer Moos zu; den Reitwind in den brennenden Augen, das Rosstoben zwischen den Schenkeln und dazu im Blut, im Herzen die unbändige Sehnsucht, vor allem aber im Gehirn den Ausweg; den einzigen.
Ein Stück mehr in Reichweite, mit jedem Galoppsprung des Rappen, rückte ihm die gestern noch Unerreichbare. Albrecht, in der Enthemmung durch den Falerner, hatte endlich begriffen, dass er sich vom Hofmeister, vom Protokollarischen, unausgesprochen vielleicht auch vom übermächtigen Vater schändlich und feige ins Bockshorn hatte jagen lassen. Eingeredet und eingeblasen hatte man ihm, dass eine Reiberin in der Residenz untragbar sei, und er selbst war monatelang nicht drauf gekommen, dass die Distanz zwischen München und Augsburg in einem einzigen scharfen Tagesritt zu überbrücken war. Jetzt aber hatte er den Mut gefunden, den rauschigen und instinktiven; jetzt fühlte er sich frei genug, sich endlich – endlich! – heim ins Unbeschreibliche zu stürzen.
Beim Durchqueren des Isarmooses lüftete sich dem Wittelsbacher allmählich der Kopf aus, aber an seinem Wollen änderte sich dadurch nichts; es wurde lediglich inniger, weicher. Albrechts Körper entspannte sich im rhythmischen Wiegen des Rossrückens; gelegentlich gönnte er dem Hengst eine erholsame Trabreprise, warf bei solchen Gelegenheiten den Knechten manchmal sogar ein Scherzwort zu. Der frühe Vormittag sah die Reiter in Olching auf der dortigen Amperbrücke, zur Zeit des Zwölfuhrläutens setzten sie bei Mammendorf über die Maisach. Der Tag war jetzt warm geworden, fast schon sommerlich heiß; die Rösser schwitzten und dampften mittlerweile schwer. Der Herzog – am Morgen noch hätte er den Mann deswegen angeschnauzt – hörte auf den Rat eines der Knechte in den weiß-blau gerauteten Umhängen und befahl für die sonnenglastigste Stunde des Tages eine kurze Rast auf einem Meierhof jenseits des Flüsschens. Im Schatten der Nussbäume dort erholten sich die Renner, labten sich die Münchner an Speck, Brot und Bier. Albrecht selbst allerdings blieb mäßig, gönnte sich zum Erstaunen seiner Leute und der Bauern zum Imbiss lediglich einen einzigen Krug. Konnte es danach kaum erwarten, bis die Rösser abgerieben, getränkt und gefüttert waren, und dann drängte er ungeduldig wieder zum Aufbruch; noch nicht einmal den halben Weg habe man hinter sich, rief er seiner Bedeckung im Anreiten zu.
Trab, Galopp, Trab – die Schrittwechsel gingen den Münchnern, während der Nachmittag sich zäh zog, in Fleisch und Blut über. Im Galopp an der Glonn-Quelle vorbei, im Trab in den Markt Mering hinein, wieder im Galopp dann weiter nach Königsbrunn. Die Ebene des Lechfeldes, scheinbar endlos, im Blickwinkel zwischen den wippenden Pferdeohren jetzt; des Lechfeldes, über dem nun schon die Dämmerung hing. Und dann, endlich, im letzten verschwimmenden Blaugrau des Tages: die kantige, überstachelte Silhouette von Augsburg; die Stadtmauern, die Türme der Patrizierburgen und Kirchen, das Ziel. Die Reiter auf ihren abgehetzten Gäulen dem südlichen Landsberger Tor zu – und der heisere Ruf eines der
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